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Polizei verhindert „Elbblick für alle“

■ Am Sonntag besetzte Häuser nahe der Hafenstraße von Polizei geräumt / Sanierung war schon eingeleitet / Dohnanyi von eigener Partei gebremst

Von K.v.Appen&A.Kintzinger

Hamburg (taz) - Etwa vier Hundertschaften Polizei haben gestern vormittag im Hamburger Stadtteil St.Pauli vier am Sonntag besetzte Häuser geräumt. Die Gebäude am Pinnasberg 74–79 und in der benachbarten Heidritterstraße 1–2 liegen etwa zweihundert Meter von den ehemals besetzten Häusern in der Hafenstraße entfernt. Das alternative „Wohnprojekt am Pinnasberg“ (WamP e.V.) hatte in der Vergangenheit bereits eine Zusage der sozialliberalen Landesregierung erhalten, die Häuser nutzen zu können. Die Hafenstraßen–Bewohner waren in den letzten Wochen durch Attacken von rechten SPD–Senatoren und der CDU in die Schlagzeilen vor allem der Springer–Presse geraten. Das Resultat: Auf Drängen des rechten SPD–Flügels, aber auch mit den Stimmen der beiden FDP– Senatoren wurde die Zusage an „WamP“ in der letzten Woche zurückgenommen. Als Begründung wurde die Nähe zur Hafenstraße angegeben. Nach Ansicht der Regierungsmehrheit hätte ein „Kreuzberg 36“ am Elbufer gedroht. Die Absage wurde beschlossen, obwohl bereits sämtliche Bauanträge zur Instandsetzung der Häuser vorliegen, über 120.000 Mark für die Sanierung geflossen sind und der alternative Bauträger „Stattbau“ schon Aufträge an Baufirmen erteilt hatte. Bürgermeister Klaus von Dohnanyi hatte während der Senatssitzung vor einer Woche noch für die Realisierung der beschlossenen Pläne gekämpft, konnte sich aber nicht durchsetzen. Selbst eine Vertagung des strittigen Pro blems wurde nicht zugelassen. Den nächsten Dämpfer erhielt Dohnanyi in der Nacht auf Montag. Nachdem die Pinnasberg– Häuser in der Folge eines Straßenfestes besetzt worden waren, mußte seine Zustimmung zur Räumung - Senatsanspruch: Kein Haus bleibt länger als 24 Stunden besetzt - geradezu „er zwungen“ werden, wie aus SPD– Kreisen zu erfahren war. Als die Polizei anrückte - einige Beamte trugen schußsichere Westen und Sturmhauben -, hatte sich das Gros der Besetzer bereits verzogen. Lediglich zwei von ihnen wurden schlafend von der Polizei aufgefunden und kurzzeitig festgenommen. Während es rund um Hafenstraße und Pinnasberg trotz des martialischen Auftretens der Polizei ruhig bleibt, spitzt sich die Situation auf der politischen Bühne weiter zu. Nach der Wahl im benachbarten Schleswig–Holstein stehen vor allem in der Hamburger SPD die Zeichen auf Sturm. Prominente Vertreter des dominierenden rechten Parteiflügels attackieren Dohnanyi immer häufiger - mit Vorliebe in Springer–Blättern. Aktueller Anlaß für die Kontroverse in SPD und Senat ist die Fortsetzung der alternativen Wohnungs– und Sanierungspolitik. Allerdings spielen auch frühere Streitigkeiten wie etwa der Komplex „Neue Heimat“ eine wichtige Rolle. Der Senat hatte gegen das Votum des rechten und linken SPD–Flügels lediglich die Übernahme der 41.600 Hamburger NH–Wohnungen, nicht aber des gesamten Gewerkschaftsunternehmens beschlossen. Erschwerend kommt für Dohnanyi hinzu, daß er in dieser Situation mit wenig Fingerspitzengefühl agiert. „Obwohl er weiß, wieviel Wut einige Senatoren derzeit auf ihn haben, kanzelt er sie permanent mit all seiner Arroganz und unter Ausnutzung seiner intellektuellen Überlegenheit ab“, so ein Regierungsmitglied gegenüber der taz. Das Klima innerhalb der sozialliberalen Regierung sei sehr schlecht. Die größten Probleme stehen Dohnanyi allerdings noch bevor. Sollten sowohl der Bauausschuß des für den Pinnasberg zuständigen Bezirkes Altona als auch der Senat heute mittag einen Abriß der kurzzeitig besetzten Häuser an der Elbe beschließen, können militante Auseinadersetzungen nicht ausgeschlossen werden. Wer auch immer zusammen mit der Polizei daran beteiligt sein wird: In der Öffentlichkeit wird jeder Konflikt mit „Hafenstraße“ überschrieben - und die hat Dohnanyi seit einigen Wochen wieder zur „Chefsache“ erklärt. Kommentar Seite 4

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