Alle träumen von Wasserstoff

■ Grünes Hearing zur Wasserstoff–Technologie in der Bremer Bürgerschaft / Gegen Sonnenfarmen in der Wüste - für dezentrale Energieversorgung / Grünes Pilotprojekt zur Wasserstoffnutzung vorgestellt / Senat zeigt sich interessiert, fühlt sich aber nicht zuständig

Aus Bremen Michael Weisfeld

Riesige Sonnenkollektoren in der Sahara oder in Saudi–Arabien erzeugen Strom, mit dem Wasser in einem Elektolyse–Verfahren in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Durch Pipelines oder mit Tankschiffen wird der Wasserstoff aus den Ländern unter der Sonne ins trübe Mitteleuropa gebracht und hier verheizt. Aber auch die Saudis sollen etwas davon haben: „Wir bekommen von ihnen Sonne und bringen ihnen dafür Technik.“ So Hartmut Steeb von der „Deutschen Forschungs– und Versuchsanstalt für Luft– und Raumfahrt“ am Montag in Bremen. Er stellte sein großtechnisches Szenario auf dem grünen Hearing zum Thema „Wasserstoff als Träger regenerativer Energie“ der grünen Fraktionen aus Bremer Bürgerschaft und Bundestag vor. Steebs Wasserstoff–Großtechnik blieb dabei nicht ohne Widerspruch: Klaus Müschen vom Freiburger Öko–Institut hielt dagegen, daß es nicht Ziel der Forschung sein kann, einfach alte Energieerzeugungssysteme durch ein neues abzulösen. An die Stelle der Öl– Multis von heute würden so die Wasserstoff–Multis von morgen treten. Außerdem sieht Müschen die Gefahr des „Neo–Kolonialismus“: Die sonnenreichen Länder wären gezwungen, Energie–Ausrüstungen nach den jetzigen ungerechten Handelsbedingungen in den Industrieländern zu kaufen. Er befürwortete eine dezentrale Energieversorgung, wie sie der schwedische Ingenieur Olof Tegström vorgemacht hat. Tegström berichtete auf dem Hearing von seinem energie–autarken Leben im Wasserstoff– Haus: Ein Windrotor erzeugt Strom, damit wird Wasser elektrolytisch in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Mit dem Windstrom betreiben die Tegströms Lampen und Waschmaschinen, mit dem Wasserstoff heizen sie das Haus und fahren sogar Auto. Sponsoren des Projekts unter anderem: Die Automultis Daimler und Saab. Wasserstoff kann man wie Erdgas verbrennen. Sein großer Vorteil vor Erdgas, Kohle und Öl: Das Verbrennungsprodukt ist ökologisch unbedenklich: Reines Wasser, allerdings fallen bei der Verbrennung Stickoxyde an. Wenn man jedoch das Gas vor der Verbrennung durch Edelstahlspäne leitet, kann man die Entstehung dieser Gifte fast vollständig verhindern. Auf der grüne Bremer Lehrer Walter Ruffler stellte auf dem Hearing ein Pilotprojekt zur Wasserstoffnutzung vor: Auf dem riesigen, ungenutzten Gelände der Bremer Klöckner–Werke soll ein kleines Kraftwerk entstehen. Dieses soll einmal nicht mit Kohle oder Uran betrieben werden, sondern mit Sonne und Wind. Solarzellen und Windrotoren sollen dort den Strom erzeugen, mit dem Wasser aufgespalten werden kann. Der Wasserstoff soll in ein nahes Bremer Wohngebiet geleitet und dort zum Heizen und zum Erzeugen von Strom wieder verbrannt werden. Ruffler denkt nicht daran, daß auf diese Weise ganze Stadtteile mit Energie versorgt werden können. Vielmehr soll die Technik so ausprobiert und weiterentwickelt werden und auf längere Sicht Beschäftigungschancen für die sterbende Werftindustrie bieten. Bremen solle den Anschluß an diese Zukunftstechnologie suchen, meinte Ruffler, in Bayern und Baden–Württemberg werde schon lange damit experimentiert. Für den Nachmittag waren deshalb Vertreter der Senatoren für Wirtschaft und für Umwelt sowie die Bremer Stadtwerke eingeladen und wurden mit Rufflers Projekt konfrontiert. Sie zeigten wohlfeilen guten Willen und erklärten sich im übrigen für nicht zuständig. Der Bremer DGB dagegen versprach Rufflers Projekt seine volle Unterstützung. DGB– Sprecher Wöhrle: „Unter Rufflers Konzept muß jetzt nur die Unterschrift der Landesregierung, und dann kann man damit nach Bonn und Gelder einwerben.“