Routinierte Betroffenheit

Der nicht unerwartete, aber dennoch spektakuläre Rücktritt des Ersten Bürgermeisters von Hamburg, Klaus von Dohnanyi, wurde von den Parteien im Hamburger Rathaus unisono mit der bei solchen Anlässen üblichen „Betroffenheit“ kommentiert. Nur die Vertreter der FDP kamen schnell zur Sache. Der Fraktionsvorsitzende Frank–Michael Wiegand, der „diesen überraschenden Schritt“ bedauert, aber respektiert: „Die Koalition räumt der SPD das Vorschlagsrecht für das Amt des (neuen) Ersten Bürgermeisters ein.“ Zudem sei er davon überzeugt, „daß die erfolgreiche Arbeit der Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode 1991 fortgesetzt werden wird“. Unterstützung aus Bonn gewährte der FDP– Generalsekretär Helmut Haussman. Dohnanyis Rücktritt habe nichts mit der SPD/FDP–Koalition zu tun, es habe da wohl innerparteiliche Spannungen gegeben, außerdem sei „Herr von Dohnanyi amtsmüde“. Die Christdemokraten wittern jetzt Morgenluft. Hartmut Perschau, Fraktionsvorsitzender, und Jürgen Echternach, Landesvorsitzender, fordern vehement Neuwahlen. Sie halten „die Konsequenz des Bürgermeisters für persönlich ehrenhaft“, die SPD und FDP dürften sich aber nun nicht an der Macht festklammern. Denn sie seien mit an Dohnanyis verfehlter Politik, insbesondere im Umgang mit der Hafenstraße, gescheitert. Neuwahlen, so die CDU–Chefs, seien daher ein „selbstverständliches Gebot der politischen Wahrhaftigkeit und des politischen Anstands“. Erste Reaktionen von SPD–SenatorInnen klangen gestern nachmittag eher verhalten. Während Schulsenatorin Raab erklärte, sie sei traurig, zeigte Umweltsenator Kuhbier die notwendige Betroffenheit und Respekt vor der Entscheidung des Senatschefs. Alfons Pawelczyk, Senator für Bundesangelegenheiten mit Sitz in Bonn, der mit dem Bürgermeister am 31. Mai zurücktreten wird, betonte, daß die Rücktritte schon längere Zeit geplant gewesen seien. Ursprünglich sei ein Termin für den 15. März vorgesehen gewesen, jeoch wegen der Wahl in Schleswig–Holstein verschoben worden. Beide Politiker hätten ihren Entschluß zum Rücktritt unabhängig voneinander geplant. Die GAL erklärte, mit Dohnanyis Rücktritt werde wieder deutlich, daß sich in Hamburg zunehmend rechte PolitikerInnen durchsetzen. Der Bürgermeister sei auch nur in bezug auf die Hafenstraßenentscheidungen von dieser Politik abgewichen. Die Abgeordnete Thea Bock: „Es ist zu befürchten, daß es einen Nachfolger geben wird, der nicht mehr zu dem Wohnprojekt steht.“ Die rechte Politik werde nun ohne Dohnanyi in Hamburg fortgesetzt. Der erst zwei Tage zuvor zum schleswig–holsteinischen Ministerpräsidenten gewählte Björn Engholm dankte Dohnanyi für seine Rücksicht auf die Wahl in Kiel: „Wir wissen, daß es sein persönlicher Wunsch war, uns nach Kräften zu unterstützen.“ Dohnanyi werde auch in Zukunft in Schleswig–Holstein „ein aufmerksam gehörter Ratgeber und gern gesehener Gast“ sein. Petra Oelker