...Wer wird der nächste Bürgermeister in diesem Land?

■ Spekulationen über den „schillernden Politiker“ Henning Voscherau und den „preussischen Soldaten“ Alfons Pawelczyk

Wohl kaum jemanden in der Hansestadt dürfte es leichtfallen, Dr. jur. Voscherau, mittlerweile 47 Jahre alt, umfassend zu beschreiben. Seit seinem Eintritt in die SPD wurde der Notar, der eine gutgehende Praxis in der Hansestadt betreut, extrem unterschiedlich beurteilt. Von „rechter Hardliner“ über „Machiavellist“ bis „Spieler, der sich nie entscheiden kann“, lauteten die Beurteilungen. Dabei wirkt der schlanke blonde Politiker wie die Urausgabe eines vornehmen Hamburgers. Wegen seiner rhetorischen Fähigkeiten in der Bürgerschaft wurde er respektiert und gehaßt. Hauptschimpfwort der CDU–Opposition: „Schauspieler“. Voscherau stammt in der Tat aus einer Schauspielerfamilie, und manche seiner Auftritte, nicht nur in der Bürgerschaft, zeigen eine eindeutige Lust am Chargieren und am Spiel mit Klischees. Klischees, die scheinbar alle zutreffen. Nach dem Abtritt der Leitfiguren der rechten SPD nach dem Klosesturz gelang es ihm als Fraktionsvorsitzendem der Bürgerschaftsfraktion 1982 bis 87, die Parteirechte hinter sich zu vereinigen. Doch das Milieu befremdete seine Eloquenz und sein oft intellektuelles Auftreten. Schon früh flüsterten sich die rechten Hardliner zu „Der Henning ist zwar in Ordnung, aber was er wirklich will, weiß niemand so richtig.“ Aus der rechten Fronde zum erstenmal brach er anläßlich des berüchtigten „Hamburger Kessels“ 1986 aus. Unbarmherzig führte er als stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses, der die skandalöse 18stündige Einkesselung von achthundert DemonstratInnen untersuchte, die Polizeiführung vor. Und in der Agonie einer durch eine empfindliche Wahlschlappe geschwächten SPD demonstrierte er in den 2. „Hamburger Verhältnissen“ 1987 trickreich und keinem parlamentarischen Winkelzug abgeneigt, wie die Partei mit einer unwilligen GAL als Minderheitsregierung kurzfristig überleben kann. Der sozialliberalen Option des Bürgermeisters stand er immer skeptisch bis zur Ablehnung gegenüber. Während die Medien mehr und mehr auf eine persönliche Anomisität zwischen Voscherau und dem Bürgermeister baute, wirkte er unspektakulär im Bauch der Partei, bis es auch bei den Linken hieß „Henning bewahrt sozialdemokratische Identität“. Ob die allerdings soweit reicht, daß er es zur Not nicht auch mit der CDU in der Großen Koalition versuchen würde, wagt derzeit niemand vorauszusagen. Ihr schärfster Gegner war er während des Bürgermeister–Techtelmechtels mit der CDU 1987, als der, um die GAL zu umgehen, mit der Großen Koali tion spielte. Doch danach spielte er ebenso überzeugend den nachdenklichen Gegner einer sozialliberalen Koalition, deren Bürgermeister er nun eventuell wird. Tom Janssen Alfons Pawelczyk hat während seiner politischen Karriere nie den Soldaten in sich verleugnen können. Der heute 55jährige war nach Polizeiausbildung in Berlin einer der ersten Männer der Bundeswehr, er brachte es zum Oberst. Als Vorsitzender des SPD–Kreises Wandsbek hatte er den einflußreichsten Ortsverein Hamburgs hinter sich, eine Hausmacht, die seine Auffassung von Politik lange Jahre zur Herrschenden in der Hansestadt machte. Pawelcyk war zwischen 1980 und 1984 Hamburger Innensenator, in der Zeit, als die Hafenstraße besetzt wurde. Er gab damals die bis heute gültige Parole aus, daß in Hamburg „kein Haus länger als 24 Stunden“ besetzt bleiben dürfe. Warum die Räumung der Hafenstraße damals nicht erfolgte, ist gegenwärtig Gegenstand der Ermittlungen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Klar ist, daß der immer preußisch zackige schmallippige Pawelcyk bis zur Vertragsunterzeichnung über das Wohnmodell Hafenstraße im letzten November nur allzugerne die unkorrekten Häuser am Hafenrand geräumt hätte - doch da war Dohnanyi vor. Mit dem Ersten Bürgermeister verband den Oberst a.D. eine innige Haßliebe. Die Weltläufigkeit des Edelmannes, seine Nonchalance, wirkte auf Pawelcyk eher provozierend. Da nahm es nicht wunder, daß er vor vier Jahren lieber als Bonn–Senator Hamburgs an den fernen Rhein zog. Nur zwischenzeitlich, 1986, als die „Hamburger Verhältnisse“ die Konzentration aller Partei–Kräfte verlangte, ließ er sich breitschlagen, vorübergehend nocheinmal das Innenressort zu übernehmen. Sein Amtsvorgänger Rolf Lange hatte wegen der Morde des St. Pauli–Killers „Mucki“ Pinzner seinen Hut nehmen müssen. Alle Welt wartete darauf, daß der starke Mann nun endlich an der Hafenstraße Tabula rasa machen würde. Es kam anders, wieder konnte er sich nicht gegen Dohnanyi durchsetzen. Pawelcyk zog sich im Herbst letzten Jahres erneut in die Bonner Hamburg– Vertretung zurück. Daß er jetzt zusammen mit seinem Ersten Bürgermneister zurücktritt, verwundert alle politischen Beobachter. Schlüssige Begründungen gab er gestern nicht von sich, er trat nicht einmal mit Dohnanyi vor die Presse. Daß der Oberst schon längere Zeit amtsmüde ist, war bekannt. Daß er sein politisches Schicksal mit dem Dohnanyis verbindet, ist erstaunlich.