Der Edelmann steigt vom Roß

■ Dohnanyi hat nach 20 Jahren den Spaß an der Politik verloren / Hafenstraße gab ihm den Rest

Der feine Adlige Klaus von Dohnanyi hat nach eigenen Aussagen von der Politik die Faxen dicke. Den naheliegenden Grund, daß er vom Kampf um die Hafenstraße, auch innerhalb seiner Partei, zermürbt sei, wies er weit von sich. Sein Rücktritt sei „ein völlig normaler Vorgang“, meinte er. Nun möchte er „einem Jüngeren“ die Zügel überlassen. Wer dies sein könnte, bleibt vorerst spekulativ. Im Gespräch ist auch der gleichzeitig zurückgetretene Bundesratssenator Pawelczyk.

Während einer Autofahrt am vergangenen Freitag ließ es Klaus von Dohnanyi zum erstenmal anklingen: „Da war ein Anflug von Resignation“, erzählte noch am Montag ein Vertrauter des Ersten Bürgermeisters, „und das bei ihm, der ja nun alles andere als ein resignativer Typ ist.“ Doch Dohnanyi entpuppte sich als blendender Schauspieler. Nach der kurzen Reise bei den Feiern zum 700. Geburtstages des Hamburger Stadtteils Harburg angekommen, mimte er den strahlenden Politiker, dem nichts und niemand bedrohlich werden könnte. Auch in Interviews wies Dohnanyi sämtliche Fragen, die ein eventuelles Ende seiner Amtszeit thematisierten, barsch zurück - zu einem Zeitpunkt, als SPD–Chef Hans– Jochen Vogel schon alles wußte. Offensichtlich nicht nur der. Als Dohnanyi gestern nachmittag im von Journalisten geradezu überranten Hamburger Rathaus seinen Rücktritt verkündete, schien auf Regierungsseite lediglich der Koalitionspartner FDP überrascht. Dohnanyi hatte die zuvor stattgefundene turnusmäßige Senatssitzung routiniert und wahrscheinlich mit dem gleichen Ärger wie immer geleitet, um die Landesregierung erst danach von seinem spektakulären Schritt zu unterrichten. Als er vor die unzähligen Fernsehkameras und Rundfunkmikrophone tritt, scheint eine zentnerschwere Last von ihm gefallen zu sein. Geradezu fröhlich berichtet Dohnanyi, was der sozialliberale Senat noch wenige Stunden zuvor alles weggearbeitet hat. So wurde das kommunale Ausländerwahlrecht und ein Vertrag mit einem Großunternehmen beschlossen, und - von Dohnanyi scheinbar nur en passant erwähnt - der Erhalt von vier Häusern am Pinnasberg, knapp 200 Meter von der Hafenstraße entfernt, garantiert. Mit diesen Häusern war Dohnanyi und mit ihm die Hafenstraße in den vergangenen Tagen wieder in die Schlagzeilen gekommen. Nein, die Hafenstraße sei nicht der Grund für den Rücktritt gewesen, beteuerte Dohnanyi im Blitzlichtgewitter immer wieder. Geglaubt hat ihm das keiner. Vor allem deswegen nicht, weil der am gestrigen Tag einmal gar nicht so arrogant wirkende Senatschef zu seiner aktuellen Rücktrittserklärung ein Schreiben vom November vergangenen Jahres beilegte, in dem er Bürgerschaftspräsidentin Helga Elstner (SPD) bereits für den 15. März 1988 das Ende siner Amtszeit angekündigt hatte. Erst jetzt weiß man also, daß Dohnanyis damaliges „Ehrenwort“ an die Bewohner der Hafenstraßen– Häuser - „Ich verpfände mein Amt dafür, daß bei einem Abbau der Befestigungsanlagen nicht geräumt wird“ - auf weniger als nur tönernen Füßen stand. Aber Dohnanyi hat auch recht, wenn er die Gründe seines Rücktrittes weniger mit der Hafenstraße und der dazugehörigen Kampagne gegen ihn und die Bewohner beschreibt. Im sozialliberalen Senat gärte es auch aus ganz anderen Gründen. Die gleichen dem rechten SPD–Flügel zuzuordnenden Senatoren, die unentwegt gegen das „Wohnmodell“ am Elberand zu Felde zogen, legten sich auch auf anderen Politikfeldern immer wieder mit dem Ersten Bürgermeister an. So wurde es ihm von vielen, auch in Partei und vor allem in der rechtslastigen Bürgerschaftsfraktion, nicht verziehen, daß er bei der Abhandlung um die Übernahme der 41.600 Hamburger Wohnungen der Neue Heimat Nord dem kleinen Koalitionspartner FDP ohne großen persönlichen Widerstand nachgegeben hatte. Die gesamte Partei hatte verlangt, außer den Wohnungen und Grundstücken auch das gesamte Unternehmen von der Hansestadt aufkaufen zu lassen - vergeblich. Widerstand regte sich aber auch vom kleinen linken Parteiflügel. So stieß sein Zugeständnis an die FDP, profitable staatseigene Betriebe zur Konsolidierung des diesjährigen Haushaltes an private Unternehmen zu verscherbeln, auf heftige Kritik. Und daß die Kürzungen im Rahmen der Sparmaßnahmen ausgerechnet den von SPD–Linken besetzten Sozialsektor am stärksten treffen sollten, brachte ihm natürlich alles andere als Sympathie ein. Dohnanyi stand in den letzten Wochen und Monaten zwischen allen Stühlen, nur die FDP hielt noch zu ihm - in Sachen Hafenstraße ebenso wie bei den wirtschaftsliberalistischen Maßnahmen. Daß das Klima innerhalb der Landesregierung immer deutlicher gegen ihn sprach, hat Dohnanyi allerdings auch fehlendem Fingerspitzengefühl im persönlichen Umgang mit seinen Senatskollegen zu verdanken. „Mit all seiner Arroganz und unter Ausnutzung seiner intellektuellen Fähigkeiten“ brüskierte der Regierungschef seine Widersacher ein ums andere Mal. Das Ergebnis: eine Landesregierung, in der längst nicht mehr jeder mit jedem gesprochen hat, die verhärteten Fronten eine annähernd handlungsunfähige Regierung hervorgebracht haben. Axel Kintzinger