Aktionäre üben den Widerspruch

■ Hauptversammlung der Deutschen Bank unter dem Eindruck von Börsenkrach und Gewinnverlust Empfehlung des Aufsichtsratsvorsitzenden an Unzufriedene: Aktien abstoßen / „Kritische Aktionäre“ aufgewertet

Aus Düsseldorf Georgia Tornow

Wo es hoch hergeht, dauert alles länger. Die diesjährige Hauptversammlung (HV) der Deutschen Bank , die am Mittwoch in der Düsseldorfer Stadthalle tagte, geriet zeitlich und auch sonst ein wenig aus den Fugen. Die Inthronisierung von Alfred Herrhausen als alleinigem Sprecher büßte etwas von der üblichen Betulichkeit des personell, nicht dem Gewicht der Stimmen nach von Kleinaktionären dominierten Treffens ein. Nach zehn fetten Jahren mit kontinuierlichen Gewinnsteigerungen - zuletzt auch noch verwöhnt durch einen Bonus aus dem Milliarden–Geschäft durch den Verkauf des Flick–Paketes an der Börse - waren die Aktionäre vom Rückgang des Betriebsergebnisses bei der Deutsche Bank AG um 41 Prozent und bei deren Konzerntöchtern um 37 Prozent aufgeschreckt. Auch die ungeschmälerte Dividendenzahlung von 12 Mark pro Fünfzig–Mark–Aktie konnte da nicht recht beruhigen. Der Vorstand wurde ungewöhnlich massiv unter Beschuß genommen. So sehr nervte der Drang von über 20 Aktionären und einer Aktionärin, auf zentrale Weltprobleme und/oder sich selbst aufmerksam zu machen, den sonst als souveränen Versammlungsleiter geltenden Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Wilfried Guth, daß er ins Zetern kam: Es würde ja keiner gezwungen, Aktien der Deutschen Bank zu kaufen; wem die Politik des Vorstands nicht gefalle, könne ja sein Geld woanders anlegen. Wie immer fand die Schablone „Geh doch nach drüben!“ auch Anerkennung im sich ausdünnenden Publikum. Daß er, als die ersten Abstimmungen um halb sechs Uhr abends begannen, einem halbleeren Saal präsidierte, mußte Guth nicht stören: Beschlußfähigkeit und Bestätigung der Vorstandsanträge waren durch die Stimmblöcke der Großaktionäre gesichert. Drei Unruheherde waren auf der HV auszumachen - wohlgemerkt, Kritiker aus ganz verschiedenen Ecken und alles andere als koordiniert: Die „Kritischen Aktionäre“ zum Thema der moralischen Dimensionen des internationalen Geschäfts, Kleinaktionäre im Verteilungskampf gegen die Vorstandspolitik, Kapitaldecke und Stille Reserven zu vergrößern, statt den Kurs der eigenen Aktien zu pflegen, und dann noch eine erkleckliche Zahl diffuser Hobby–Politiker. Schon vor dem Eingang der Stadthalle wurden die Besucher der HV mit den beiden Hauptthemen der „Kritischen Aktionäre“ der Deutschen Bank konfrontiert: dem Südafrika–Engagement der Bank und ihrer Rolle bei der Verschuldungskrise. Eine Gruppe aus Krefeld hatte hier ein Happening inszeniert: Ärzte mit dem Deutsche–Bank–Signet am Kittel verabreichten einer schon reichlich siechen Apartheid–Puppe eine Bluttransfusion, wobei die unbarmherzigen Samariter um ein goldenes Kalb aus Pappmache herumwanderten. Angesichts des Staus der Besucher vor den Sicherheitskontrollen hatten damit verschiedene Initiativen (BUKO, Jusos, aus den Kirchen) eine erhöhte Chance, ihre Flugblätter an Aktionärin und Aktionär zu bringen, die im Gros weiter mißtrauisch bis mißfallend reagierten. Im Saal war man da auf höherer Warte ganz anders eingestellt: Die „kritische Aktionärin“ Gisela Rubbert aus einem Bonner „Pax Christi“–Kreis wurde von den Hauptversammlungs–Dramaturgen unter die ersten Redner plaziert, ein angestammter Platz für die etablierten unter den Schutzvereinigungen der Kleinaktionäre. Auf ihren Beitrag zur Schuldenkrise und den damit verbundenen Antrag auf Nicht–Entlastung des Vorstands wegen seiner ungenügenden Bereitschaft zu sofortigen Entlastungsmaßnahmen für die Bevölkerung in der Dritten Welt ließ es sich Alfred Herrhausen nicht nehmen, persönlich und lange in einem „Privatissimum“ zu antworten. Ähnlich erging es auch Klaus Milke, schon auf früheren HVs ein Streiter für Schuldenstreichungen, dem Herrhausen ebenfalls eine Lektion in Sachen „Schulden und Weltwirtschaft“ gab. Erklärter Zweck der Übung: Diese wirklich honorigen Menschen stellten faktenmäßig alles auf den Kopf, und das wolle er geraderücken. Zur Südafrika–Problematik war seine Interventionsbereitschaft deutlich geringer. Deshalb ist es wahrscheinlich, daß der neue Alleinsprecher der Deutschen Bank die Verschuldungsproblematik weiter als sein Feld behandeln will. Dazu gehört dann schon auch die inhaltliche Diskussion mit Kritikern. Weit wichtiger bleibt aber die Profilierung zu diesem Thema innerhalb der internationalen Banker–Zunft. Da hatte Herrhausen auf der Weltbank–Tagung des letzten Herbstes in Washington schon einmal laut in Richtung Wertberichtigung und gezielte Schuldenstreichung gedacht. Milke schlug dann auch vor, die IWF–Tagung in Berlin im nächsten September sei das richtige Forum für die Ankündigung praktischer Entlastungsmaßnahmen für die „Dritte Welt“. Herrhausen wird sich dazu aber sicher nur zu Wort melden, wenn es in das Kalkül der Bank und seine Karriereplanung paßt.