In Süd–Beirut nur ein Sieger: Hizbollah

■ Nach sechstägigen erbitterten Gefechten kam es zum vorübergehenden Waffenstillstand / Südbeirut fast vollständig in den Händen der Hizbollah / Aufweichungserscheinungen in den Reihen der Amal / Südbeirut als Tauschobjekt für Südlibanon? / Gestern neue Kämpfe

Aus Beirut Petra Groll

Ein Telefongespräch zwischen dem syrischen Präsidenten Assad und seinem iranischen Amtskollegen Khamenei hat den blutigen Auseinandersetzungen zwischen der prosyrischen Schiitenbewegung Amal und der proiranischen Schiitenpartei Hizbollah ein vorläufiges Ende gesetzt. Sechs Tage lang hatten sich die Milizen der beiden libanesischen Schiitenorganisationen in den südlichen Vororten Beiruts erbitterte Gefechte mit Waffen aller verfügbaren Kaliber - vom Sturmgewehr bis zum Panzer - geliefert. Eine vorläufige Bilanz zählte am Freitag 172 Tote und 866 Verletzte in dem überaus dicht besiedelten Slumgebiet. Inzwischen aber scheint die Hizbollah gestern von den südlichen Vororten aus auch die Straße zum Flughafen eingenommen zu haben. Den militärischen Sieg trug überraschenderweise Hizbollah davon. Die unter dem Banner der „Islamischen Republik“ (Iran) kämpfenden Integristen konnten in fast allen Bezirken Südbeiruts die militärischen Stützpunkte und Büros von Amal, der von Syrien favorisierten Organisation im Libanon, übernehmen. Mit einiger Verwunderung registrierten Beobachter, daß die überwiegende Mehrheit der schiitischen Bevölkerung mit Hizbollah sympathisiert. Entscheidend zum Sieg der Hizbollah aber trugen offenbar eine nicht unerhebliche Anzahl von vermeintlichen Amal–Anhängern bei, die sich nicht an den Kämpfen beteiligten, sondern ihre Position ohne Widerstand an Hizbollah übergaben. Besonders erstaunlich war, daß die auf 1.500 Mann geschätzte Spezial–Truppe des Akl Hamieh, Sproß eines Schiitenclans aus dem ostlibanesichen Baalbek, nicht eingriff. Akl Hamieh galt bislang als durchaus einflußreicher Sicherheitschef von Amal in Südbeirut. Doch nicht nur seine Mannen verweigerten den Waffengang gegen die Religionsbrüder. Auch die Anhänger zweier Lokalsheiks, die Anfang des Jahres wegen pro– iranischer Tendenzen aus Amal ausgeschlossen worden waren, blieben den Fronten fern. Rechtzeitig zum Abschlußfest des Fastenmonats Ramadan zu Beginn der kommenden Woche konnten am Freitag die BewohnerInnen Südbeiruts die in den sechs Kampftagen verbrauchten Lebensmittelvorräte wieder auffrischen. Gefahr drohte nur noch von Scharfschützen beider Parteien, die sich, dem Waffenstillstand zum Trotz, immer wieder vereinzelte Gefechte lieferten. Doch der Waffenstillstand, der am Mittwoch abend in der iranischen Botschaft in Beirut zwischen den Delegationen der Amal und der Hizbollah und dem iranischen Vize– Außenminister Hussein Sheikholislam sowie General Ali Hammoud, dem Chef der syrischen Militärbeobachter in Beirut, ausgehandelt wurde, bietet nach Auffassung vieler libanesischer Kommentatoren vor allem der geschlagenen Amal die Chance, Miliz, Waffen und Munitionsbestände wieder aufzufrischen. Amal–Chef Nabib Berri erklärte, er wolle sich auf keinen Fall auf die Bedingungen der Hizbollah für eine politische Lösung des Konflikts einlassen. Für die Hizbollah machte Sheikh Mohamed Hussein Fadlallah deutlich, daß eine Rückkehr Amals in das jetzt von Hizbollah eroberte Südbeirut nur dann möglich sei, wenn im Gegenzug Hizbollah wieder volle Bewegungsfreiheit im Südlibanon erhält. Diese besonders für Operationen gegen Israel wichtige Region, in der Hizbollah sich in mühsamer Kleinarbeit Rückendeckung in der Bevölkerung und eine ganze Reihe militärischer Basen geschaffen hatte, war Anfang April unter den Einfluß von Amal– Milizen geraten. Auf ihre syrischen Schutzengel kann sich Amal in der jetzigen Situation nicht verlassen. General G. Kanaan, Chef des syrischen Militär–Geheimdienstes in Libanon, machte unmißverständlich klar, daß Syrien seine Soldaten nicht als Kanonenfutter zwischen den Feuerlinien des schiitisch– schiitischen Konflikts postieren wird. FILMFESTSPIELE IN CANNES