„Das ist eine Steuererhöhungsreform“

■ Die taz sprach mit Detlef Hensche, Stellvertretender Vorsitzender der IG Druck und Papier, anläßlich des Gegen–Hearings zur Steuerreform, das die Gewerkschaft am Dienstag in Bonn veranstaltet hat

taz: Die Bundesregierung verspricht SteuerDetlef Hensche: Wir protestieren dagegen, daß die Großverdiener um tausende entlastet werden, während die abhängig Beschäftigten mit kleinen und mittleren Einkommen in vielen Fällen noch zuzahlen sollen - entweder in Form erhöhter Verbrauchssteuern oder, was uns besonders trifft, wegen der Versteuerung von Schichtzuschlägen. Ein Drucker oder Setzer im Zeitungsbetrieb verliert, wenn diese Pläne aufgehen, bis zu 5.000 Mark netto im Jahr. Er hat also nicht nur nichts von der Steuerreform, sondern er zahlt zu. Das ist für ihn eine Steuererhöhungsreform, während mancher Zahnarzt sich vielleicht in Spanien noch die vierte Villa leisten kann. Wie kommt die Verschlechterung zustande? Bisher waren die Zuschläge für Nachtarbeit, Sonn– und Feiertagsarbeit steuerfrei. Wenn diese Zuschläge jetzt jenseits der geplanten Obergrenzen besteuert werden - ein kleiner steuerfreier Rabatt soll noch bleiben - verlieren vor allem Drucker und Setzer aus Zeitungsbetrieben. Könnte die Besteuerung von Nacht– und Schichtarbeit nicht ein Instrument zur EinEs wählt doch niemand freiwillig die Nachtarbeit. Wer zu diesen ungünstigen Zeiten arbeitet, macht das in aller Regel, weil er keine andere Alternative hat. Wieviele Beschäftigte sind betroffen? In unserer Branche 30.000 bis 40.000. Die Spitzenwerte von 5.000 bis 6.000 Mark Verlust betreffen natürlich nur eine Minderheit. Aber es wird bei fast allen Verluste ab 800 Mark aufwärts geben. Neben der Druckindustrie sind die Beschäftigten in der Stahlindustrie sowie in einzelnen regionalen Tarifbereichen der Metallindustrie betroffen. Das sind dann insgesamt ungefähr 100.000 bis 150.000 Beschäftigte. Geht es der IG Druck allein ums Geld? Für uns ist natürlich die Versteuerung der Schichtzuschläge besonders ärgerlich. Aber die politische Fernwirkung dieser Steuerreform ist vor allem, daß noch einmal 40 Milliarden aus der Staatskasse abfließen - zu 80 Prozent in die Taschen der Reichen und Spitzenverdiener -, und daß damit noch weniger Geld existiert für soziale Reformen, insbesondere für Beschäftigungsprogramme. Der eigentliche politische Skandal ist die Umverteilung des von allen erarbeiteten Reichtums zulasten und zum Nachteil sozialer Wohlfahrt. Bleibt es bei verbalen Protesten? Es hat schon im Herbst erste Warnstreiks in Zeitungsbetrieben gegeben. Ich könnte mir gut vorstellen, daß die Empörung insbesondere unter den Hauptbetroffenen in den Zeitungsdruckereien noch stärker wird. Interview: Martin Kempe