„Balkan–Tarif“ noch nicht entschieden

■ Vor dem Bundesverwaltungsgericht klagten die großen Autoversicherer um eine höhere Haftpflicht für Ausländer

Berlin (taz) - Nach mehrstündiger mündlicher Verhandlung hat das Bundesverwaltungsgericht gestern noch keine Entscheidung darüber getroffen, ob Kfz–Haftpflichtversicherungen von türkischen, griechischen und jugoslawischen Autofahrern einen pauschalen, nach Nationalitäten abgestuften Ausländeraufschlag verlangen dürfen. Wie berichtet, (s. taz vom 3. 5.88) klagen sechs große Versicherungsgesellschaften für die Zulässigkeit eines solchen „Balkan–Tarifs“, den sie mit dem überdurchschnittlich hohen Schadensaufkommen bei diesen Bevölkerungsgruppen begründen. Nach ihren Forderungen sollen z.B. Türken dann 50 Prozent mehr Haftpflicht zahlen als Deutsche. Die mit Spannung erwartete Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird in den nächsten Wochen schriftlich ergehen. Angesichts des großen öffentlichen Interesses an diesem Grundsatzstreit betonten in der gestrigen Verhandlung sowohl das Gericht als auch die Versicherungskonzerne immer wieder, daß es um eine „rein rechtliche“ und keine politische Entscheidung gehe. Von einer „Diskriminierungsabsicht“ könne keine Rede sein. „Aus guten Gründen, die in unserer Geschichte liegen“, hielt der Anwalt der Gegenseite, des Bundesaufsichtsamts für Versicherungswesen, dem entgegen, verbiete unser Grundgesetz eine Unterscheidung von Personen nach Herkunft und Heimat. Schließlich würden auch keine Sondertarife für Katholiken oder Protestanten, Angestellte oder Arbeiter, Männer oder Frauen gefordert, obwohl Frauen nachweislich weniger Autounfälle verursachten. Aber solche Statistiken würden von den Versicherern unter dem Tisch gehalten. Die Versicherer bestanden auch gestern darauf: Die Eigenschaft als Ausländer stelle ein besonderes Risiko dar, unter dem die „inländischen Versicherungsnehmer“ zu leiden hätten, denn die könnten nach dem geforderten Ausländerzuschlag mit einer Beitragsermäßigung von sage und schreibe 0,8 Prozent rechnen. Die stolze Summe zwischen fünf und 15 Mark würden deutsche AutofahrerInnen sparen, wenn Ausländer gemäß der Forderung der Versicherer dann bis zu 1.000 Mark mehr für ihr Auto zahlen müßten. Das jedoch, so meinte der Anwalt der Versicherungskonzerne, der Berliner CDU–Abgeordnete Finkelnburg, würden die Ausländer sicher gerne tun, wenn sie dafür - anders als jetzt - bei ihrer Versicherung „willkommene Kunden“ wären. Ve.