„Null–Lösung“ zur Vergewaltigung

■ Die Bundestagsfraktion der Grünen in Bonn beschlossen, lieber gar kein Gesetz zu haben, als dem Votum des Parteitags zu folgen / Tumultartige Sitzung endete mit Eklat und Stinkbomben

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Die Sitzung der grünen Bundestagsfraktion zum Thema „Mindeststrafe für Vergewaltigung“ endete gestern mit einem Eklat. Mehrheitlich wollte sich die Fraktion nicht dem Votum des Parteitags und zahlreicher Frauengruppen beugen, es bei der bisherigen gesetzlichen Mindeststrafe von zwei Jahren zu belassen. Stattdessen beschloß die Fraktion, vorerst auf einen Gesetzentwurf zur Reform des Verwaltigungsparagraphen zu verzichten. Der Entwurf hatte auch die Strafbarkeit der ehe lichen Vergewaltigung und eine weitergefaßte Definition dieses Verbrechens umfaßt. Nun wird die Partei um eine „neue, intensive Diskussion gebeten“, die in einen neuen Parteitagsbeschluß münden soll. Zahlreiche angereiste Besucherinnen aus Frauengruppen verließen unter Protest und mit Hinterlassen von Stinkbomben die Sitzung. Gegen das Zwei–Jahres–Strafmaß hat sich eine knappe Mehrheit von 14:11 Abgeordneten durchgesetzt. Dem Antrag von Christa Nickels, ganz auf Gesetz zu verzichten, folgte dann eine deutlichere Mehrheit.In einer hitzigen Debatte hatten die Abgeordneten nervös auf die heftigen Vorwürfe und Zwischenrufe der angereisten „Basis–Frauen“ reagiert. Fraktionssprecher Helmut Lippelt drohte mehrmals mit Abbruch der Sitzung, seine Kollegin Vennegerts beklagte die „fanatische Aufgeregtheit“. Gerald Häfner sah eine „beängstigende „Kopf– Ab–Stimmung“, die alles über Bord kippe, „was rechtspolitisch bisher erreicht worden“ sei. Die Befürworterinnen des Zwei–Jahres–Strafmasses wiesen darauf hin, daß die Grünen keinen Grund hätten, sogar noch hinter den „patriarchalischen Gesetzgeber“ zurückzufallen, und daß die Fraktion nicht nach Belieben über einen Gesetzentwurf verfügen könne, der unter Mitarbeit zahlreicher nicht–grüner Frauen zustande gekommen sei. Nach etlichen Jahren Diskussion über das grüne Anti–Diskriminierungs– Gesetz sind die Grünenmit dem gestrigen Beschluß wieder am Punkt „Null“ angekommen. Einen eigenen parlamentarischen Beitrag zu der in allen Parteien laufenden Diskussion können sie nun vorerst nicht mehr leisten.