CDU–Beschäftigungsprogramm: Schönung der Statistik

■ „Harter Kern“ der Arbeitslosen: Nur eine Million / Weniger Lohn für Ungelernte gefordert / Thesenpapier der Wirtschaftspolitiker angelehnt an Leitantrag zum Bundesparteitag

Aus Bonn Oliver Tolmein

Die Unionsparteien haben am Mittwoch ihre Attacken gegen die angeblich arbeitsunwilligen Arbeitslosen fortgesetzt. 3,5 Prozent der bei der Bundesanstalt für Arbeit registrierten Arbeitslosen sind, so behauptete der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions–Bundestagsfraktion Matthias Wissmann, „nicht ernsthaft an einer Arbeitsaufnahme interessiert“. Gleichzeitig sprach Wissmann davon, daß der „harte Kern der Arbeitslosen“ etwa eine, höchstens aber anderthalb Millionen Menschen umfasse. Die offizielle Arbeitslosenstatistik geht derzeit von 2,26 Millionen Arbeitslosen aus. Zum „harten Kern“ zählen Wissmann zufolge nur die Arbeitslosen, „die dem Arbeitsmarkt wirklich zur Verfügung stehen“, und diejenigen, „die eine Stelle suchen, die für sie die einzige oder die wesentliche Einkommensquelle darstellt“. Aus diesen Vorgaben leitete der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/ CSU–Fraktion die Forderung nach einer „Steigerung der Aussagefähigkeit der Arbeitsmarktstatistik und nach einer höheren Effektivität der Arbeitsverwaltung“ ab. Wissmann stellte zusammen mit den Abgeordneten Rudolf Sprung (CDU) und Rudolf Kraus (CSU) ein von der Arbeitsgruppe Wirtschaft der Unionsfraktion erarbeitetes Papier „Grundzüge der Wirtschafts– und Arbeitsmarktpolitik“ vor. Das fünfseitige Grundsatzpapier lehnt sich eng an den entsprechenden Abschnitt im Leitantrag des CDU–Bundesvorstandes zum Parteitag an - operiert aber jeweils mit konkreten Zahlen und arbeitet die Lösungswege aus Unions–Sicht deutlicher heraus. Während im Leitantrag beispielsweise noch sehr allgemein von „differenzierten Ursachen“ der Arbeitslosigkeit gesprochen wird, gehen die Wirtschaftspolitiker sehr viel deutlicher zur Sache: Die Arbeitslosigkeit sei ein strukturelles, kein konjunkturelles Phänomen und könne daher nur mit „grundlegenden Maßnahmen“ beseitigt werden. Eine der „grundlegenden Maßnahmen“ ist eine Aufhebung der „Nivellierungstendenz“ bei den Bruttostundenlöhnen, die zur Folge gehabt habe, daß „die unteren Lohngruppen überproportional angehoben worden sind“. Die zu hohen Stundenlöhne für Ungelernte habe, begründet das Papier, „einen verstärkten Rationalisierungsdruck auf einfache Arbeitsvorgänge, die häufig durch menschliche Arbeitskraft nicht mehr kostengerecht erbracht werden könne“, bewirkt. Aber nicht nur der zu hohe Lohn für Ungelernte, auch die „Kosten regulärer Arbeit“ sind nach Meinung der Unionspolitiker wesentliche Ursache der Arbeitslosigkeit. „Die Lohnzusatzkosten, insbesondere die Kosten der sozialen Sicherungssysteme, haben den zweiten Lohn mittlerweile auf über 80 Prozent angehoben“, behaupten sie. Mehr Teilzeitarbeit und ein Abschied vom „Dogma der allgemeinen Lohnentwicklung“ schlagen sie als Lösungsmöglichkeiten vor. Es könne schließlich nicht angehen, daß ausgerechnet in Krisenregionen wie in Bremen oder bei Krisenindustrien wie dem Kohlebergbau die Bruttostundenlöhne um sieben bis 13 Prozent über dem Bundesdurchschnitt lägen. Vor allem aber, so Wissmann, gelte es, „neue Wege zu beschreiten“. Einen stellte er gleich vor: Ungelernte Arbeitslose sollten künftig einen deutlich niedrigeren Einstiegslohn erhalten - die im Vergleich zum bisherigen Lohnniveau ersparten Beträge liessen sich für deren Qualifizierung im Betrieb einsetzen. Wissmann beklagte aber auch die zurückgehenden privaten und öffentlichen Investitionen. Die Ursache dafür sieht er einmal bei den hohen Unternehmenssteuern, zum anderen in den „wettbewerbsverzerrenden und strukturkonservierenden Subventionen“. Dadurch soll die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen bei gleichzeitiger Erhöhung der Investitionsquote möglich werden. Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) stießen die vorgestellten Thesen angesichts der „bemerkenswert klaren marktwirtschaftlichen Perspektiven“ auf große Zustimmung. Insbesondere die Forderung nach Ausbau der Teilzeitarbeit und die Vorschläge zur Lohndifferenzierung wurden auch vom BDI als gute Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit angesehen.