Ein taz–Redakteur ging zur Polizei...

■ Heftige Konflikte um eine Aussage zu Vorfällen in Berlin–Kreuzberg / Ein Szene–Flugblatt, eine persönliche Erklärung und eine Stellungnahme der taz

Von Ursel Sieber

Berlin (taz) - Das Nationale Plenum der taz hat sich am Samstag abend mit einem in der taz–Geschichte einmaligen Vorgang beschäftigt: Ein taz–Redakteur war in einer Situation persönlicher Bedrohung einer Vorladung der Polizei gefolgt und hatte dort auch zu Fragen Stellung genommen, die sich nicht nur auf die Vorgänge um seine eigene Person bezogen. Die taz stand (und steht) nun im Verdacht, mit der Polizei zusammen zuarbeiten und gegen den Grundsatz journalistischer Verschwiegenheit zu verstoßen. Zur Vorgeschichte gehört, daß in den letzten Jahren die Kritik von Teilen der Kreuzberger Szene an der taz immer heftiger geworden ist. Im Sommer 1987 flogen Steine auf das fahrende Auto, in das sich Gerd Nowakowski, Redakteur im Berliner Lokalteil, geflüchtet hatte, nachdem er von Leuten aus der Szene „angepöbelt“ worden war. Anlaß war ein Kommentar: Nowakowski hatte den Autono men vorgeworfen, sich mit den DDR–Volkspolizisten gegen die rechtsradikale Mun–Sekte verbündet zu haben. Die Mun–Leute hatten an der Mauer, auf Ost–Berliner Gebiet, gegen den Kommunismus demonstriert. Nachdem die Steine auf Nowakowskis Auto geflogen waren, brach in der selben Nacht ein Feuer im Keller unter der Wohnung von Gerd Nowakowski aus. (Die Szene hat sich allerdings nicht zu dieser Brandstiftung bekannt; einige Autonome haben den Vorwurf, das Feuer stamme von ihnen, zurückgewiesen. Deshalb wurde auf dem taz–Treffen auch diskutiert, ob der Vorwurf der Brandstiftung aufrechterhalten werden soll. Eine knappe Mehrheit entschied sich dafür.) Nur wegen der Brandstiftung hat Gerd Nowakowski Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Ein paar Wochen später wurde in dem Kreuzberger „Schicki– Micki“–Restaurant „Maxwell“ ein Kübel voller Fäkalien ausgekippt. Dazu bekannte sich eine Gruppe, die sich „Kübel“ nannte. Innerhalb der Szene hatte dieser Anschlag heftige Kontroversen ausgelöst. Im Zuge dieser Debatte wurde Kreuzberger Gruppen auch vorgeworfen, von Läden und Restaurants sogenannte „Schutzgelder“ zugungsten der „Knastkasse“ zu erpressen. Diese Vorwürfe konnten bislang nicht bewiesen werden; eine Sonderkommission der Polizei ermittelt. Wegen des „Maxwell“–Anschlags wurde Gerd Nowakowski im September 1987 von der Kripo vorgeladen. Er folgte der Aufforderung in einer Situation persönlicher Angst: Für ihn habe die Lage nach den Steinwürfen „an Bedrohlichkeit nichts eingebüßt“, erklärte er seinen KollegInnnen auf dem Nationalen Plenum. Er sprach von einer „unablässigen Kette von Drohungen, per Telefon oder per Post“. Die Entscheidung, der Vorladung zu folgen, sei „eine sehr persönliche und auch eine sehr einsame Entscheidung gewesen“. In der Diskussion bekannten mehrere tazler, es sei ein „Armutszeugnis“ für das gesamte Projekt, daß sich ein Kollege zu diesem Schritt durchgerungen habe, weil er vom Projekt nicht genügend unterstützt worden sei. Das dreiseitige Vernehmungsprotokoll wurde am Mittwoch letzter Woche einer taz–Redakteurin zugespielt, die damit sofort in die Zentrale kam. Die Aussage Nowakowskis beziehen sich ganz überwiegend auf die Angriffe gegen ihn. In einer kurzen Passage sagte er allerdiengs auch zum Fäkalienanschlag aus: „Auf die Vorgeblich nicht in den Kiez passen würden. Ich selber habe diese nie gesehen. Im SO 36 verkehrt auch X.Y. mit seinen Freunden. In der Volksküche wird zwar auch Essen ausgegeben, aber soweit mir be Die taz–Redakteurin informierte am selben Tag einen Teil des taz–Vorstands. Gerd Nowakowski war jedoch erst am Donnerstag zu erreichen. Da die Dimension des Vorgangs allen klar war, wollte der taz–Vorstand am Freitag über eine Stellungnahme beraten. Doch da war die taz bereits von den Ereignissen überrollt: In Kreuzberg wurde ein Flugblatt mit dem Titel „Kübel– Spätlese“ verteilt. Gerd Nowakowski wurde nahegelegt, aus Kreuzberg wegzuziehen - sonst werde man ihm Beine machen. (siehe Dokumentation). Die Stellungnahme der taz steht im nachfolgenden Kasten.