In Wackersdorf stehen die Fronten fest

■ Der Bürgermeister und seine SPD–Mehrheit stehen fest zur WAA / DWK drängt sich in das Alltagsleben der Gemeinde Wackersdorf hinein

Aus Wackersdorf Bernd Siegler

Ein Auto hält auf dem Wackersdorfer Marktplatz. Die Insassen, ein älteres Ehepaar aus der Nachbargemeinde, laden ein mit Radioaktivitätszeichen versehenes Ölfaß aus und hängten ein Transparent mit der Aufschrift „Baustopp - jetzt sofort“ an den Eingang des Rathauses. Wie seit Wochen halten auch am Freitag vor Pfingsten Mitglieder der Bürgerinitiativen gegen die WAA Mahnwache vor dem Wackersdorfer Rathaus. „Eines Tages werden wir die lachenden Sieger sein“, frohlockt Gerlinde Sparrer, Schriftführerin der nur 50 Mitglieder zählenden örtlichen BI. Für die geringe Zahl der Aktiven macht Gerlinde Sparrer die Wackersdorfer SPD und allen voran Bürgermeister Josef Ebner verantwortlich. Seit 20 Jahren schon steht Ebner an der Spitze der 3.800 Einwohner–Gemeinde. Er ist Sozialdemokrat und im Gegensatz zur Parteilinie ein klarer WAA–Befürworter. Seit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am 29.1.88 den WAA–Bebauungsplan für nichtig erklärt hat, ruhen die Hoffnungen vieler WAA–Gegner auf dem Wackersdorfer Gemeinderat. Denn dieser könnte durch Erlaß eines neuen Bebauungsplanes oder durch entsprechende Einzelbaugenehmigungen den Bau der WAA torpedieren. Von 16 Gemeinderäten stellt die SPD neun, die CSU nur drei. Trotzdem oder gerade deswegen gibt es keinen Grund zur Beunruhigung für die WAA–Betreiberfirma DWK. Daß Ebner beim VGH–Prozeß erklärt hatte, er sei schlauer geworden, und daß der Gemeinderat anschließend zum ersten Mal auch Gutachter der Gegenseite angehört hatte, erwies sich als trügerische Hoffnung. „Bei uns hat sich nichts verschoben“, erklärt Ebner heute stolz und verweist auf Abstimmungen im Rat, die mit nur zwei Gegenstimmen gefällt worden sind. Maria Ebner, Schwiegertochter des Bürgermeisters und von Anfang an WAA–Gegnerin, hat mit dem SPDler Manfred Rittler einen Bündnisgenossen bekommen. Den Meteorologen haben die Vorgänge um Nukem/Alkem aufhorchen lassen. Ausschlaggebend für seinen Sinneswandel waren die geologischen Gutachten zur Trinkwassergefährdung durch die WAA. Noch nach dem VGH–Urteil hatte Maria Ebner gehofft, daß sich mehr bewegen könnte. Aber an den Fronten gebe „es nichts zu rütteln“. Sie glaubt, daß viele ihrer Parteikolle gen aus „falsch verstandenem Obrigkeitsdenken“ an ihrer Entscheidung für die WAA festhalten. Trotzdem wird sie auf der nächsten Gemeinderatssitzung einen Antrag auf Baustopp stellen. „Ohne Chancen“, wie sie selbst zugibt. Für die SPD–Ortsvorsitzende Maria Ebner, die im März letzten Jahres einen WAA–Befürworter auf diesem Posten abgelöst hatte, gibt es nur mehr eine Möglichkeit. Bei den nächsten Kommunalwahlen 1990 müsse die Partei WAA–Gegner als Bürgermeister–Kandidaten aufstellen. Schon jetzt treten viele BIler in die SPD ein, um die Mehrheitsverhältnisse zu ändern. Dennoch wird voraussichtlich der Bürgermeisterkandidat wieder Ebner heißen. Als kommunaler Wahlbeamter braucht er noch ein paar Jahre für seine Pensionsberechtigung, und die will ihm kein Parteifreund streitig machen. Daß die Mehrheit der Einwohner in Wackersdorf gegen die WAA sind, streitet Ebner vehement ab. Auf eine Umfrage will er es jedoch nicht ankommen lassen. „Das bringt nur unnötig Unruhe.“ Eine große Gefahr sieht Gerlinde Sparrer, aktives Mitglied der BI, darin, daß es die DWK hervorragend verstehe, „total auf BBI–Nachfolgebetrieb zu machen“ und damit an Wackersdorfer Traditionen anzuknüpfen. Jahrelang waren Wohl und Wehe Wackersdorfs mit der Bayerischen Braunkohleindustrie (BBI) eng verknüpft. Zu Hochzeiten fanden dort 1.600 Menschen Arbeit. 1982 wurde die BBI stillgelegt und die DWK kaufte die alten BBI–Gebäude auf. Die zweite Heimat vieler Wackersdorfer Vereine und Austragungsort vieler Festivitäten, die BBI–Halle, befindet sich jetzt auf dem Gelände der DWK. Die „Knappenkapelle“ aus den Bergbauzeiten erhält von der DWK großzügige Unterstützung. Ob Pensionistenvereine, Arbeiterwohlfahrt oder Kriegsversehrte, vom DWK–Geldsegen fällt für jeden etwas ab. Die Fußballer des TV–Wackersdorf feiern den Gewinn der B–Klassen–Meisterschaft mit dem Emblem der Wackersdorfer DWK–Filiale DWW auf dem Trikot. Der FC Linde Schwandorf (KWU) und der FC Schwandorf (DWW) komplettieren die Atomliga in der Oberpfalz. DWW–Pressesprecher Egon Mühlberger gründete eine Ski– und Wanderabteilung beim TV Wackersdorf. „Die DWW drängt sich in das Alltagsleben Wackersdorfs hinein, die haben ihren Einfluß überall“, wirft Gerlinde Sparrer der WAA–Betreiberfirma vor. Maria Ebner pflichtet ihr bei. „Das ist genau durchgeplant“, meint sie. Persönliche Kontakte sollen den DWW– Leuten Rückendeckung in der Bevölkerung verschaffen. Weihnachten 1987 erhielt jeder Gemeinderat von der DWW einen Reisehaarfön - kleine Geschenke, die die Freundschaft erhalten sollen. Maria Ebner lehnte dankend ab. Große Geschenke für die Gemeinde Wackersdorf gibt es auch. Sie heißen „Gewerbesteuervorauszahlung“ und werden in Form von zinslosen Darlehen vergeben. Jährlich eine Million Mark fließt so in die Gemeindekasse „zur Schaffung infrastruktureller Maßnahmen im Zusammenhang mit der WAA“, wie es offiziell heißt. Eine Abhängigkeit der Gemeinde von der DWK bestreitet Ebner. Um 14 Uhr schließlich ist die Mahnwache vor dem Rathaus beendet. Eine halbe Stunde später ist Bürgermeister Ebner unterwegs zum ehemaligen BBI–Gelände zur feierlichen Grundsteinlegung für ein neun Millionen Mark teures DWK–Ausbildungszentrum. Mit dem alten Bergmannsgruß „Glückauf“ wünscht er dem Bauvorhaben ein gutes Gelingen.