Blockade im Nord–Ostsee–Kanal

■ Der französische Frachter „Borodine“ mit Uranhexafluorid an Bord wurde zwei Stunden lang an der Ausfahrt in die Kieler Förde gehindert / Die „Borodine“ transportiert wöchentlich die gefährliche Fracht durch den Kanal

Aus Kiel Jürgen Oetting

Zwei Stunden lang verhinderten am Pfingstsonntag etwa 50 AtomkraftgegnerInnen die Ausfahrt des französischen Frachtschiffes „Borodine“ aus dem Nord–Ostsee–Kanal in die Kieler Förde. Sie hatten ein Schiebetor der Holtenauer Schleuse besetzt, wurden dann aber vom Schleusenpersonal ausgetrickst. Der Frachter setzte in den Kanal zurück und lief durch eine alte Schleusenkammer, die ansonsten nur von Sportbooten benutzt wird. Hier konnte kein Tor besetzt werden, es wurde keines ausgefahren. Die Wasserstände von Ostsee und Kanal waren zufällig identisch. Die „Borodine“ befand sich auf der Fahrt vom französischen Le Havre nach Riga (UdSSR). An Bord befand sich eine Ladung Uranhexafluorid (U 6). Dieses U 6 wird den Angaben der BlockiererInnen zufolge in der Sowjetunion radioaktiv angereichert und dann nach Frankreich zurückgebracht. Die regelmäßigen Transporte - die „Borodine“ passiert den Nord–Ostsee–Kanal wöchentlich - werden durchgeführt, weil französische Wiederaufbereitungsanlagen sich weigern, das U 6 zu bearbeiten. Bearbeitung und Transport von U 6 sind hochgefährlich. Schon bei 56 Grad Celsius wird die Substanz gasförmig. Bei Unfällen, besonders Bränden, kann es zu Katastrophen kommen. U 6 zersetzt sich nach der Berührung mit Wasser (Löschwasser) explosionsartig in das ätzende Gas Fluorwasserstoff (Flußsäure) und die hoch reaktive Chemikalie Uranylflourid. Bei einem Brandunfall auf dem Kanal oder der Kieler Förde wüßte die Feuerwehr nicht, daß der Einsatz von Löschwasser mörderische Folgen hätte. Die „Borodine“ ist nicht als Nukleartransporter gekennzeichnet. U 6 wird darüber hinaus in keiner amtlichen Gefahrengutklasse aufgeführt. Das Risiko ist ständig präsent. Erst Anfang Mai schrammte die „Borodine“ knapp an einem folgenschweren Unfall vorbei, als sie an der West–Schleuse des Kanals in Brunsbüttel mit drei Schleusen–Dalben kollidierte.