Die verhinderte Zähmung des britischen Pfundes

■ Das Pfund Sterling eilt der „Deutschmark“ davon / Maggie verweigert die Intervention auf den Finanzmärkten / Der neue Euro–Kapitalismus ohne britische Beteiligung

Aus London Rolf Paasch

„Ach du pfundloses Europa“, hätte Hans Magnus Enzensberger wohl ausgerufen, wäre er vor Niederschrift seiner europäischen Reportagensammlung noch Zeuge des Schauspiels geworden, das in diesen Tagen von der britischen Regierung aufgeführt wird. Die Eiserne Lady und ihr bulliger Schatzkanzler streiten sich seit Wochen über den wahren Außenwert des britischen Pfundes. Während der Hüter der Staatsfinanzen, Nigel Lawson, vor Hochfinanz und Industrievertretern keine Gelegenheit ausläßt, die Vorzüge einer stabilen Währung zu preisen, weigert sich seine Herrin beharrlich, gegen den Anstieg der einheimischen Währung auch nur einen interventionistischen Finger zu rühren. Ein starkes Pfund, so der patriotische Instinkt der im Krämerladen groß gewordenen Premierministerin, muß für Großbritannien einfach gut sein. Erst als die Landeswährung auf schwindlige 3,20 DM zusteuerte und Nigel mit dem Rücktritt drohte, gab Frau Thatcher ein wenig nach. Sie erlaubte der Bank of England eine halbprozentige Zinssenkung und den Aufkauf von DM, um dem Pfund die Attraktivität zu nehmen. Seitdem herrscht zwischen ihr und dem Schatzkanzler ein Waffenstillstand, so lange jedenfalls, wie das Pfund bei 3,17 DM stillhält. Doch der hinter dem Streit um den Pfundkurs liegende Konflikt um die Vollmitgliedschaft Großbritanniens im Europäischen Währungssystem (EWS) hat damit erst richtig begonnen. Denn während neben Schatzkanzler Lawson nun auch der britische Außenminister Sir Geoffrey Howe in den Chor der Resteuropäer zwischen Rom und Kopenhagen einstimmt, die den EWS–Beitritt Großbritanniens fordern, weigert sich die störrische Lady, mit einem solchen Schritt ihre währungs– und zinspolitische Autonomie aufzugeben. Die teuren Pfunde für Stützungskäufe der DM und anderer schrumpliger Währungen einfach aus dem Fenster zu werfen, nur weil wir alle in Europa wohnen, kommt für sie überhaupt nicht in Frage. Dies werde nur wieder die heimische Geldmenge vergrößern, fürchtet die inflationsphobische Ex–Monetaristin. Dabei übersieht sie allerdings, daß eine grundsätzliche Kopplung an die stärkste europäische Währung, die DM nämlich, längerfristig den gleichen anti–inflationären Effekt hätte, den sie sich jetzt mühsam durch eine Hochzinspolitik erarbeiten muß. Die dem Diskontsatz vergleichbare „Base Lending Rate“ liegt nach der jüngsten Zinssenkung immer noch bei 7,5 Prozent. Die inflationären Wirkungen einer Senkung des britischen Zinsniveaus würden in einer gemeinsamen Währungsunion bald durch ein Angleichen der Preisniveaus aufgehoben werden. Nicht zufällig liegen die Inflationsraten der meisten an die DM gekoppelten EWS–Währungen bereits heute unter der britischen Inflationsrate von vier Prozent. Statt dessen sieht die britische Exportindustrie ihre neu gewonnene Wettbewerbsfähigkeit als Folge der Thatcherschen Hochzinspolitik und des daraus resultierenden Kursanstiegs erneut gefährdet. Denn wer kauft schon britische Waren, wenn sie immer teurer werden? Dabei hatte Schatzkanzler Lawson im vergangenen Jahr bereits de facto die Anbindung des Pfundes an die DM praktiziert. Innerhalb eines Jahres hatte die Bank of England für rund 40 Milliarden Pfund DM und Dollars aufgekauft. Monatelang bewegten sich beide Währungen ein trächtig nebeneinander her, begann selbst der skeptische britische Arbeitgeberverband an die Ernsthaftigkeit der regierungsamtlichen Stabilitätsversprechen zu glauben. Doch als dann das Pfund im März aus einer Kombination von innenpolitischen und außenwirtschaftlichen Gründen langsam zu klettern begann, ließ Frau Thatcher ihren auf den Anschluß ans EWS bedachten Schatzkanzler alleine im Regen stehen. Statt vorsichtig gegenzusteuern, schloß sie vor dem Parlament weitere Interventionen der Notenbank ausdrücklich aus - und ermutigte damit noch den Ansturm der Spekulanten auf das steigende Pfund. Ihre demonstrative Weigerung, das britische Pfund zu zähmen, so befürchten Opposition wie parteiinterne Kritiker nun, könne Großbritannien bei der Gestaltung des zukünftigen Europas erneut zum Zaungast degradieren. Denn während sie sich beharrlich weigert, das Pfund den restriktiven Bandbreiten des EWS zu unterwerfen, treffen sich bundesdeutsche und französische Finanzminister und Notenbankpräsidenten schon im neugegründeten Finanzrat, um über eine gemeinsame europäische Währung und die Konstruktion einer europäischen Zentralbank nachzudenken. In der Tat zweifelt auf dem Kontinent niemand mehr daran, daß der für 1992 geplante Binnenmarkt nur unter den Bedingungen währungspolitischer Stabilität und unter Aufsicht eines supra–nationalen monetären Kontrollorgans funktionieren kann; sonst könnten sich einzelne Länder immer wieder durch die Abwertung ihrer Währungen einen Wettbewerbsvorteil schaffen. Auch würde sich ohne eine solche politische Währungsunion - vorausgesetzt, man akzeptiert den Binnenmarkt als solchen! - die Kluft zwischen reichen und armen Ländern und Regionen durch instabile Wechselkurse noch weiter verschärfen. Obwohl sich Bonn und Paris noch längst nicht über die Einzelheiten des anvisierten Europäischen Währungssystems verständigt haben, sind sie sich in ihrem Unmut über Großbritanniens zögernde Haltung in Sachen EWS einig. Ex–Bundeskanzler Helmut Schmidt, der Gründervater der europäischen Währungsschlange aus den siebziger Jahren, warnte unlängst die EG–Partner, es sei „völlig nutzlos“ bei Frau Thatchers sturer Haltung, noch auf den EWS–Beitritt Großbritanniens zu warten. Während das britische Industrieministerium für die einheimischen „Business“–Männer gerade eine kostspielige Werbekampagne über die Vorzüge des grenzenlosen europäischen Binnenmarktes betreibt und führende Konservative bereits den ideologischen Export des Thatcherismus nach Europa vorbereiten, scheint die Aufsichtsratsvorsitzende der „Großbritannien GmbH“, Margaret Thatcher, immer noch nicht begriffen zu haben, daß die Teilnahme am Euro–Kapitalismus nur über die Abgabe politischer Macht an die neuen Anteilseigner zu gewinnen ist. Und die sitzen nunmal demnächst in Bonn, Paris, Luxembourg und Brüssel, ob dies der Eisernen Lady paßt oder nicht.