Afrikas Staaten: Gruppenbild mit Drama

■ Panafrikanische Organisation (OAU) feiert 25jähriges Bestehen / Träume und Schäume von afrikanischer Einheit und Brüderlichkeit / Regionalkonflikte überfordern die Vereinigung / „Afrika der Staaten“ steht heute vor dem Scherbenhaufen über Regionalkonflikte

Von Knut Pedersen

Addis Abeba (taz) - Ein riesiger Geburtstagskuchen mit 25 Kerzen wurde angeschnitten, eine schmucke Gedenkplakette freigelegt und aus unerklärlichem Grund sogar die „Glocke für afrikanische Einheit“ geläutet. Aber all das Spektakel half gestern nicht, um etwas vom Pioniergeist des 25.Mai 1963 wachzurufen. Dort, wo vor 25 Jahren die 30 Gründerväter der panafrikanischen Organisation (OAU) von Einheit und Brüderlichkeit träumten, wird heute nicht einmal mehr erfolgreiche Realpolitik betrieben. Es mag in der Natur der Dinge - und vor allem staatlicher Führungseliten - liegen, daß niemand mehr ernsthaft von den „Vereinigten Staaten Afrikas“ spricht. Aber welcher Logik folgt ein staatlicher Zusammenschluß, der systematisch ausschließt, was zwischen Mitgliedsstaaten an Problemen auftaucht? Mangels Antwort hat man in Addis Abeba die Stille übertönt: die Grabesruhe des Panafrikanismus. Nach langen Debatten und zwei Nachtsitzungen war zumindest eine feierliche „Erklärung“ zustande gekommen. Sie zählt den Katalog ungelöster Fragen auf, von der Verschuldungskrise über den Befreiungskampf im südlichen Afrika bis zur „unverbrüchlichen Solidarität mit dem palästinensischen Volk“. Bekannte Positionen, zu denen sich immerhin einige Neuerungen gesellten: Dank massiven Drucks von seiten der nigerianischen Delegation wurde der ursprüngliche Jubelton ausgeblendet und statt dessen mäßige Selbstkritik verlautbart. Vor allem aber: die feierliche Erklärung zum 25.Gründungsfest spricht endlich offen von Menschen– und Völkerrechten, die es in Afrika noch zu garantieren gelte. Nach der zaghaften „Afrikanischen Menschenrechtscharta“, die im Laufe der vergan genen sieben Jahre noch immer nicht allerorten unterschrieben wurde, bedeutet das einen zweiten Anlauf, um aus der Not des mißglückten „Afrikas der Staaten“ ein wenig Tugend für die afrikanischen Völker zu machen. Das Scheitern der Vermittlungsbemühungen im Tschad–Konflikt erscheint vor solchem Hintergrund wie ein Zeichen verlorener Zeit. Am Dienstag sollten sich in der äthiopischen Hauptstadt die fünf Staatschefs des Ad–Hoc–Komitees und die beiden Konfliktparteien treffen, endlich auf höchster Ebene ein salomonisches Urteil über den Grenzstreit zwischen Libyen und dem Tschad gesprochen werden. Aber dazu ist es einmal mehr nicht gekommen: Libyens Staatschef Ghaddafi sagte kurzfristig ab. Zum einen, so ließ er ohne Scherz verkünden, sei er zur Zeit nicht der Staatschef der Libyer, weil er kürzlich seine Amtsmacht zurück in die Hände des Volkes gelegt habe. Zum anderen weigere er sich, den tschadischen Präsidenten Hissein Habre zu treffen, solange im Tschad libysche Kriegsgefangene „materiell und moralisch unter Druck gesetzt werden“. Während Ghaddafi in der Vergangenheit stets die Teilnahme libyscher Truppen an den Kämpfen in der tschadischen Wüste geleugnet hatte, nutzt er nunmehr die libyschen Kriegsgefangenen als Vorwand, um die OAU vor leere Stühle zu setzen. Auf tschadischer Seite hat man denn auch von einer „Demütigung ganz Afrikas“ gesprochen und im übrigen die Anschuldigungen weit von sich gewiesen. Nach dem Waffenstillstand im vergangenen Oktober und den fruchtlosen Vermittlungsbemühungen zwischen Tschad und Libyen steht die panafrikanische Organisation heute vor dem Scherbenhaufen ihrer „Regionalkonflikte“. In den Augen der afrikanischen Öffentlichkeit ist sie im Frieden wie im Krieg eine ohnmächtige Instanz. Die Vereinten Nationen und - am 7.Juni in Algier - der arabische Gipfel haben sich des Westsahara–Konflikts angenommen. Und in Angola und im südlichen Afrika, kümmern sich die Großmächte um den Gang der Dinge. Bei den Londoner Vierergesprächen über die Aangola–Namibia–Frage war nicht einmal ein Beobachter der OAU zugegen - selbst das Gesicht zu wahren, scheint nicht mehr nötig. Dieser Tage in Addis Abeba klingen die Resolutionen zur Südafrika–Problematik denn auch hohler denn je. Die panafrikanische Organisation „begrüßt“ die Direktverhandlungen mit Südafrika und „warnt“ zugleich vor dem „doppelten Spiel des Apartheidregimes“. Mit etwas mehr Redlichkeit, aber auch sehr viel diskreter, kehrt man vor der eigenen Tür: die Hilfszahlungen an die Befreiungsbewegungen sind im chronischen Rückstand und die heimlichen Geschäfte mit Südafrika noch immer gang und gäbe. In Zimbabwe, Zaire, Gabon, Kenya und in der Elfenbeinküste werden südafrikanische Waren eingeführt und Direktflüge nach Johannesburg eröffnet, während panafrikanische Konferenzen von aller Welt „globale und radikale Wirtschaftssanktionen“ verlangen. 25 Jahre afrikanische Einheit - ein Gruppenbild mit Drama?