Prostituierte und Schwule wehren sich

■ Nürnberg wurde die Förderung von Selbsthilfeprojekten verboten

Aus Nürnberg Wolfgang Gast

Die Verbotsverfügung der Regierung von Mittelfranken, die es der Stadt Nürnberg untersagt, mit Mitteln aus dem städtischen Haushalt Schwulengruppen und ein Prostituierten–Selbsthilfeprojekt zu fördern, hat bei den betroffenen Initiativen heftige Empörung ausgelöst. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz wehrten sie sich gestern gegen die in der Verfügung aufgeführte Begründung, nach der ihre Tätigkeiten „nach Auffassung des ganz überwiegenden Teils der Bevölkerung als mindestens anstößig zu bewerten sind“. Die Sprecher der betroffenen Schwulenzeitschrift Rosa Flieder, der Schwulengruppe „Fliederlich“ und des Selbsthilfeprojekts für Prostituierte „Kassandra“ bezeichneten das Vorgehen der mittelfränkischen Regierung als Versuch der Ausgrenzung und der Diskriminierung unliebsamer Gruppen. Die Regierung bediene sich dabei der „feineren Art, den Finanzhahn zuzudrehen, als die Gruppen zu verbieten“. Die „Kassandra“–Frauen werteten die Anordnung als „den nächsten Schritt nach dem Bayerischen Maßnahmen–Katalog“, und die Schwulen zogen Parallelen zum Verbot eines Schwulenprogramms beim Nürnberger Alternativsender „Radio Z“ und den laufenden Anordnungen des bayerischen Finanzministeriums, mit denen sämtlichen Schwulenprojekten im Freistaat die Gemeinnützigkeit aberkannt wird. Wie berichtet hatte die Regierung von Mittelfranken im Wege der Dienstaufsicht den Haushalt der Stadt für das Jahr 1988 genehmigt, dabei aber eine Auszahlung der Zuschüsse an die Initiativen verboten. In der Begründung heißt es weiter, „die Vereine beschränken sich nicht darauf, ihre Kunden humanitär zu betreuen, sondern wollen deren Verhalten aktiv unterstützen und quasi gesellschaftsfähig machen“. Die bisher geleisteten Zuwendungen an die Initiativen seien rechtswidrig. In den letzten Haushaltsjahren hatte der Rosa Flieder etwa 37.000 DM, „Fliederlich“ 48.000 DM und „Kassandra“ über 3.000 DM erhalten. In der Verbotsverfügung wird weiter darauf verwiesen, daß derzeit auch die Mittel für ein früheres Hausbesetzer–Kollektiv eine Mietergemeinschaft überprüft werden. Die Fraktionen der SPD und der Grünen, die im Nürnberger Rathaus die Mehrheit stellen, haben bereits rechtliche Schritte gegen die Verfügung angekündigt. Nach ihrer Auffassung stellt der Bescheid einen nicht haltbaren Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Kommune dar. „Die längst überwunden geglaubten Vorurteile und Diskriminierungen“ (aus dem Antrag der Grünen) verstießen gegen das Grundgesetz, die Verfassung des Freistaates und die bayerische Gemeindeordnung.