Hafenstraße rüstet zum Sonnenbaden

■ Die labilen politischen Hamburger Verhältnisse rücken das Thema Hafenstraße wieder in den Vordergrund

Aus Hamburg Axel Kintzinger

Spaziergängern, die in diesen Tagen durch die Hafengegend von St. Pauli schlendern, bietet sich ein kontrastreiches Bild. Während an den Zeitungskiosken große Lettern eine „Aufrüstung“ in der Hafenstraße und Krach im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Hafenstraße verkünden, machen die wieder in die Schlagzeilen geratenen Bewohner der ehemals besetzten Häuser das, was derzeit jedem zu wünschen wäre: Sie nutzen den herrlichen Frühsommer und sitzen in der Sonne. Noch heißer als im Liegestuhl am Elbufer geht es momentan im Hamburger Rathaus zu. In Zeiten labiler Regierungsverhältnisse hat das Thema Hafenstraße wieder Konjunktur. Die jüngste Runde wurde Dienstag abend in Saal 151 des Hamburger Rathauses eingeläutet. Dort ging es um die Frage, ob die Landesregierung auf das städtische Energieversorgungs– Unternehmen HEW Druck ausgeübt hat, säumige Stromkunden in der Hafenstraße anders zu behandeln als sonst. Als an diesem Mittwoch der zuständige Umweltsenator Jörg Kuhbier (SPD) in den Zeugenstand mußte, kam es zum Eklat. Kuhbier, der anfangs keinen Hehl daraus machte, eigentlich keine Lust auf eine Aussage zu haben, zog dann aber das Schreiben einer Referentin der CDU– Fraktion an die HEW aus der Tasche, in dem dem Unternehmen Hilfe in allen Fragen zum Komplex Hafenstraße angeboten wird. Der Brief datiert vom 14. Oktober 87 und wurde damit zu einem Zeitpunkt geschrieben, als eine Entscheidung in der Hafenstraße noch ausstand. Er schließt mit dem Satz: „Vielleicht können wir auch wegen des anstehenden Untersuchungsausschusses in Kontakt bleiben.“ Kuhbier genüßlich: „Der Versuch, hinter meinem Rücken mit den HEW zu konspirieren, blieb aber erfolglos.“ Der Auftritt zeigte Wirkung, die Ausschußsitzung mußte abgebrochen werden. Dafür hat der Haushaltsausschuß gegen den Widerstand der CDU am späten Mittwochabend zusätzliche 360.000 Mark für die Hafenstraße freigegeben, die allerdings von der Bürgerschaft noch bewilligt werden müssen. Das Geld darf nur für Planungskosten bewilligt werden. Gestern abend wurde wieder ein prominenter Zeuge erwartet. Christian Lochte (CDU), Chef des Hambur ger Verfassungsschutzes, sollte zu seinen Thesen befragt werden, ob, wie und in welcher Form die RAF in den bunten Häusern präsent sei. In seiner Erklärung, deren Abschrift der Hamburger taz– Redaktion vorab vorlag, ließ Lochte seinen Thesen über die RAF in der Hafenstraße allerdings keine konkreten Fakten folgen. Im Konjunktiv gehalten, berichtete er über die Beobachtungen seiner V–Leute - kein Stoff, aus dem „Terroristen“–Geschichten zu schmieden sind. Für die den Hamburger Zeitungsmarkt dominierende Springer–Presse scheint dieser Ausfall bedrohlich zu werden. So griff das Hamburger Abendblatt zu der Überschrift „Hafenstraße rüstet wieder auf“ und ließ eine wahre Horrorgeschichte über angeblich neu ausgelegten NATO–Draht, über neue Stahltüren und verrammelte Fenster folgen. Eine noch am Erscheinungstag durchgeführte Begehung der Häuser ergab: Fehlanzeige. Auch die Polizei winkte nach der Abendblatt–Ente ab, strafrechtlich Relevantes läge nicht vor. Juristisch fragwürdig erscheint dem jüngst gegründeten „Verein Hafenstraße“ allerdings der Stromlieferungsvertrag, den die HEW jetzt angeboten hat. Erstaunlich hohe Tarife und ein zumindest merkwürdiger Abrechnungsmodus ließen wiederum Hafenstraßen–Anwalt und Vereinsvorsitzenden Rainer Blohm rot sehen. Der Vertrag sei „in seiner Formulierung unverschämt, in seiner rechtlichen Gestaltung zum Teil eindeutig sittenwidrig und damit im Ergebnis unakzeptabel“, schrieb Blohm in einem Brief an Umweltsenator Kuhbier.