Grüne Landesverbände uneins

■ Konflikt zwischen grünem Bundesvorstand und der Bundestagsfraktion schlägt weiter Wellen Drei Landesverbände haben Anzeige in Sachen Strafmaß für Vergewaltiger mit unterschrieben

Von Klaus Hartung

Berlin (taz) - Der Konflikt um die Anzeige in Sachen Strafmaß für Vergewaltiger zwischen dem grünen Bundesvorstand und der Bundestagsfraktion hat gestern früh noch einmal den telex–Verkehr und den Offenen–Brief– Wechsel hektisch werden lassen. Drei Landesverbände haben die Anzeige mit unterschrieben: Hamburg, Berlin (AL) und Saarland. Sie lehnen auch den Vorschlag der Baden–Württemberger, am 3. Juni in einem „grünen Spitzengespräch“ nach Schlichtung zu suchen und bis dahin zumindest auf die Veröffentlichung der Anzeige zu verzichten, expli zit ab. Die Landesverbände in Saarland und Berlin betonen, daß die Fraktion in Bonn grundsätzlich in die Schranken zu weisen ist, wobei die saarländische Sprecherin allerdings eine solche Anzeige auch nicht „als das Gelbe vom Ei“ ansieht. Die Landesverbände Bayern, NRW, Schleswig–Holstein, Hessen und Baden–Württemberg verurteilen die Anzeige. Der Landesvorstand Rheinland–Pfalz hat noch nicht getagt. Die Verurteilung hat verschiedene Tonarten. Bayern enthält sich jeder inhaltlichen Stellungnahme und warnt nur allgemein vor den Folgen. Niedersachsen und Schleswig– Holstein nennen das Vorgehen des Bundesvorstandes „parteischädigend“. NRW spricht von „politischem Schwachsinn“. Zu dem Votum von Schleswig–Holstein muß jedoch gesagt werden, daß vier von sieben Landesvorständlern die Anzeige des Bundesvorstandes unterschrieben haben. Der Landesvorstand hat dann mit vier Anwesenden mehrheitlich (2:1:1) den Bundesvorstand kritisiert. Die letztgenannten Landesverbände unterstützen alle das Schlichtungsgespräch, wobei sie sich erhoffen, daß das bislang namenlose Gremium (das Bundeshauptausschuß, Fraktionsvorstand, Bundesvorstand und die Landesvorstände umfassen würde) größere Bedeutung gewinnt. Die Landesvorstände wollen offenbar diesen Konflikt nutzen, um den Bundesvorstand mehr politisch einzubinden. Dieses Gremium tagte schon einmal, am 12. Dezember 1987, als „Krisengipfel“ angesichts der damaligen Spaltungsparolen. Daran erinnert auch der NRW– Vorstand: „Nach der Spaltungsdrohung Schilys ist dies (die Anzeige) der härteste Schritt in einem innerparteilichen Grabenkampf. Er verhindert jede sachliche Diskussion einer grünen Perspektive, auch im Blick auf den Kongreß im Juni.“