: Der alljährliche Zimmermann
■ Der Verfassungsschutzbericht 1987 konstatiert bei den Rechtsradikalen Mitgliederzuwachs und zunehmenden Aktionismus / Zimmermann unerschütterlich: „Die kriminelle Energie der Linksextremisten steigt.“
Aus Bonn Oliver Tolmein
„Nach Jahren der Stagnation haben die rechtsextremistischen Organisationen einen Mitgliederzuwachs von 14 Prozent (absolut: 25.200) erzielt“, konstatiert der „Verfassungsschutzbericht 1987“. Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann, der das umfangreiche, im Falle des Rechtsradikalismus allerdings relativ kurzgehaltene Dokument gestern in Bonn der Presse vorstellte, bezeichnete diese Zahl als „keineswegs besorgniserregend“. Den erheblichen Anstieg der als „rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten“ von 1.281 im Jahr 1968 auf 1.447 1987 erwähnte Zimmermann in seinem ausführlichen Statement gar nicht erst. Zugenommen haben der Verfassungsschutzstatistik zufolge einerseits schwere Straftaten wie Brandanschläge und „Sachbeschädigung mit erheblicher Gewaltanwendung“, andererseits aber sogenannte „Propagandadelikte“. Die militanten Neonazi– Aktionen richteten sich vor allem gegen Flüchtlinge. Daß „Die Republikaner“ im Verfassungsschutzbericht nicht erwähnt werden, erklärte Innenminister Zimmermann auf Nachfragen damit, daß diese Partei „nicht in dem Sinne extremistisch– nationalistisch“ sei wie die anderen dort aufgeführten Organisationen wie die DVU oder die Liste D. Sorge machen Friedrich Zimmermann - alle Jahre wieder - „linksextremistische Parteien und Organisationen“, zu denen der VS–Bericht sowohl die Autonomen als auch DKP und MLPD zählt. Allerdings konstatiert der Verfassungsschutzbericht bei der Linken einen geringfügigen Rückgang in der Mitgliederzahl. Auch die Zahl der den Linken zugerechneten Anschläge und sonstigen Straftaten ist auffällig zurückgegangen: von 2.239 registrierten Straftaten 1986 auf 1.855 im Jahr 1987. Weshalb trotz sinkender Mitgliederzahlen und abnehmenden strafbaren Aktivitäten das Hauptaugenmerk des Ver fassungsschutzes auf den linken Gruppen und nicht auf den rechten liegt, erklärte Zimmermann mit der „steigenden kriminellen Energie militanter Linksextremisten, wie die Todesschüsse am Frankfurter Flughafen zeigen“. Die detaillierte Beobachtung der DKP konnte Zimmermann allerdings damit nicht begründen. Hier führte er die steigende finanzielle Unterstützung „aus dem Osten“ an, der allerdings in Person von Gorbatschow gleichzeitig für die ideologischen Schwierigkeiten und den damit verbundenen Mitgliederrückgang der DKP verantwortlich zeichnet. Ein ausführliches Kapitel widmet der VS–Bericht „sicherheitsgefährdenden Bestrebungen von Ausländern“. Schwerpunktmäßig werden hierbei die kurdische PKK „und ihre zahlreichen Neben– und Terrororganisationen“ ins Visier genommen. Aber auch islamisch–fundamentalistische Aktivitäten werden als „sehr ernstzunehmend“ eingeschätzt. Rechtsradikalen Aktivitäten mögen dagegen weder Minister noch Verfassungsschutz größere Bedeutung zumessen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen