Südafrikas Kirchen drängen Kohl

■ Kirchenführer aus der Republik Südafrika fordern in Gesprächen mit der Bundesregierung Sanktionsmaßnahmen gegen den Apartheid–Staat / Mit neuem Gesetz will Botha die Unterstützung von Anti–Apartheid–Gruppen am Kap mit Geldern aus der EG verhindern

Aus Bonn Charlotte Wiedemann Die Bundesregierung muß in ihrer Südafrika–Politik bald Farbe bekennen: Hochrangige Kirchen– Führer aus dem Apartheid–Staat legten Kanzler Kohl gestern eine Liste von Sanktionsmaßnahmen vor, die „als längst überfälliges minimales Aktionsprogramm“ von der Europäischen Gemeinschaft unter deutscher Präsidentschaft „dringend“ umgesetzt werden sollen. Neben eher kosmetischen Maßnahmen wie der Reduzierung des Botschaftspersonals steht auf dem Kirchen–Katalog ein Import–Embargo für Kohle aus Südafrika, die Verhinderung der Kreditvergabe durch europäische Banken sowie der Entzug von Landerechten für südafrikanische Flugzeuge. Mit solchen Sanktionen soll verhindert werden, daß Rassisten– Chef Botha per Gesetz sämtliche Anti–Apartheid–Aktivitäten im eigenen Land von ausländischer Finanzhilfe abschneidet. Betroffen davon ist ein Sonderprogramm der EG, aus dem in den vergangenen zwei Jahren 70 Millionen Mark vor allem in kirchliche Projekte am Kap flossen. Während die Vertreter des Südafrikanischen Kirchenrats, der südafrikanischen Katholischen Bischofskonferenz und des „Kagiso–Trusts“, über den die EG– Gelder für nichtkirchliche Gruppen laufen, in Bonn um Unterstützung warben, trafen sich gestern ANC–Politiker mit Buren–Oppositionellen unter strenger Geheimhaltung in Frankfurt. Diese Begegnung setzt die vor knapp einem Jahr in Dakar begonnenen Gespräche zwischen der schwarzen Opposition und gemäßigten weißen Politikern Südafrikas fort. Teilnehmer in Frankfurt waren unter anderem das ANC–Führungsmitglied Thabo Mbaki, der Gründer der neuen südfrikani schen Partei „National Democratic Movement“, Wynand Malan, sowie der frühere Oppositionsführer Frederik van Zyl–Slabbert. Über Inhalte des Gesprächs wollte der ANC gestern noch nichts mitteilen. Die evangelische wie die katholische Kirche in der Bundesrepublik bekundeten gestern Unterstützung für den Sanktionskatalog der „afrikanischen Brüder“. Vor allem die hiesige katholische Kirche kommt durch die Forderung der „Brüder“ am Kap in Zugzwang. Bisher hatten die Katholiken–Führer in der BRD nur allgemein „moralisch begründete Sanktionen“ für „erlaubt“ erklärt; nun werden erstmals konkrete „gemeinsame Schritte vorgeschlagen“, wie Weihbischof Schwarz erklärte. Für die EKD ist zumindest die Unterstützung des Kohle–Embargos neu. Fortsetzung auf Seite 2 Der Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrats, Reverend Frank Chikane, betonte in Bonn, daß Bothas „Gesetz zur Förderung einer geordneten Innenpolitik“ darauf abziele, „allen friedlichen Widerstand zu unterbinden, so daß Veränderungen nur noch mit Gewalt möglich sind“. Diesem Argument kann sich die Kohl–Regierung schwerlich entziehen: Wird doch bisher von der Bundesregierung verbal eine „Aussöhnung“ in Südafrika und eine friedliche Überwindung der Apartheid gefordert. Die EG–Gelder, deren Empfang Botha mit seinem Gesetz unter hohe Strafen stellen will, unterstützen gerade solche gewaltfreien Projekte auf dem sozialen Sektor, in der Erziehung und Rechtsberatung. Medico International, die die Gespräche der Kirchenführer mit Kohl, Genschers Staatssekretär Sudhoff und dem Bundespräsidenten organisiert hat, meint, mit einem Zusammenbruch dieses EG–Programms würde „der wohl letzte Versuch, mit gewaltfreien Mitteln die unmenschliche Apartheid abzuschaffen, gescheitert“ sein. Kohl erklärte gegenüber den Kirchenführern gestern, das Botha–Gesetz sei „unannehmbar“ - zu den Sanktionsforderungen, die auch anderen europäischen Regierungen präsentiert werden, muß er nun Stellung beziehen. Ein Verbal–Protest, wie ihn Genscher gegenüber dem südafrikanischen Botschafter am Mittwoch wieder einmal absolvierte, sieht im EG– Rahmen reichlich dünn aus.