LEUTE VON HEUTE

L E U T E V O N H E U T E

„Drum tanz mit uns auf unsrem Fest/laß zeigen, wie sich's leben läßt“, singen fortan die Sozialdemokraten. 125 Jahre haben sie auf dem Buckel und schreiten nicht mehr Seit‘ an Seit‘. Getanzt und gefeiert wurde am Freitag abend auf dem Frühlingsfest im Palais am Funkturm. Presseprecher Werner Kolhoff hatte die Devise ausgegeben: „Sekt statt Selters, Yuppies statt Prolies und Lafontaine statt Rappe“. Und an den Wänden klebte die Birne von Walter Momper. Der „Oskar“ von der Saar war gar nicht gekommen. Dafür tanzte Oberchef Hans-Jochen Vogel hochroten Kopfes mit der roten Heidi Wiczorek-Zeul, zur Ver söhnung der Generationen mit vollem Quotenausgleich. Leider, leider, blieb den Genossinnen und Genossen die peinliche Wahrheit nicht erspart. Rainer K.G. Ott war als Talkmaster weniger als ein Notnagel.

Nach der offiziellen Reichstagsfeier am Samstag gingen die Arbeits-Frauen und -Männer schon bald zu Harry's Bar in die Laubenkolonie „Heimat“. Nach dem Motto: „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“. Bereits zum 20. Mal erwies sich Harry Ristok als Berliner Meister der Dialogregie und sogar der Wettergott war ungewöhnlich gnädig. Die Spitzen der Partei, Bruder Johannes, Magister Hans-Jochen, die Welt der Journaille und die Regierung, hochkarätig und konzentriert wie selten. Laurien, Pieroth, Fink und Kewenig sowie der frischgebackene Verteidigungsminister Scholz gaben sich stolz die Ehre bei Bier, Wein und gebratener Wurst.

Sein achtjähriges Jubiläum als Kollektiv feierte das „Baubüro Crellestraße“ am Freitag abend mit einem Hinterhoffest für die Kollektivszenerie der Stadt. Reiner Zufall sei der gleichzeitige Dachstuhlbrand gegenüber, versicherte Axel für das besonders in Dachstuhlausbauten spezialisierte Unternehmen.

Bei der Präsentation von Lettre beklagte sich auch der mit der Wiedervereinigung schwanger gehende Hans-Christoph Buch, daß bisher keiner seiner Texte abgedruckt worden sei. Chefherausgeber Antonin Liehm versicherte im kleinen Kreis: „Wir drucken alle Texte, die Qualität haben, er braucht nicht mal einen Namen, eine Unterschrift.“ Vielleicht nimmt sich Buch den Rat zu Herzen.

Zu großem schriftstellerischen Ruhm hat es auch der Zehlendorfer CDU-Politiker Rolf Kerst zu Lebzeiten nicht gebracht. Aus Verzweiflung machte er seinem Schicksal selbst ein Ende. In einem Abschiedsbrief schrieb er: „Es hat sich nicht gelohnt, sich für die Potentaten der CDU einzusetzen.“ Am Sonntag, drei Wochen nach seinem Freitod, teilte die CDU in Todesanzeigen mit, „daß ein guter Freund uns verlassen hat“.

Tiefe Einsichten gewann Kreuzbergs Bürgermeister Krüger anläßlich der Hundertjahrfeier der Kneipe „Kleine Markthalle“ hinterm Oranienplatz. „Die sind nicht doof, die Kreuzberger“, raunte er in einer Ecke seinem Mittrinker zu. Mit den besten Wünschen für den weiteren und harten Weg der Erkenntnis verabschiedet sich für heute Marianne