Neue Faszination Tourenwagen Motorsport ist Familiensache / Eines schönen Trainingstages auf der Avus

Neue Faszination Tourenwagen

„Motorsport ist Familiensache“ / Eines schönen

Trainingstages auf der Avus

Au ja, Tourenwagen-Rennen, da passiert immer so schön viel! Na wenigstens einen hat's im Training derwutzt. Aber ausgerechnet in der Nordkurve hinter verschlossenen Leitplanken, und auch nicht so wirklich und richtig, daß der todesferne Spanner seine Dosis voyeuristischen Angstschweiß hätte ausschwitzen können.

Dafür dödelt der Ansager, daß irgendjemand ganz knapp die Führungsposition im Sack hat, daß einer, wenn's erst ernst wird, in sehr charmanter Nachbarschaft zu Beate starten darf, und daß das Mädel Anette von BMW mehr leistet, als man von ihr erwartet hätte. Eine heißt Beule, eine andere Mercedes. Der Frauenname Isetta ist vom Markt verschwunden.

Doch was ist diese sprachliche Poesie schon gegen schöne Verunfallungen, reizende Schrotthaufen und flink fliegende Räder?! War eben nur eine Trainings-Sitzung und die kost schließlich nix und deshalb gibt's nur minderschwere Schäden auf der langen, langen Geraden und in den engen, engen Kurven: Brain Damage für Anfänger. Doch die Carrera-Rennbahn von letzen Weihnachten ist im Mai auch langweilig geworden.

Immerhin, die Blechbüchsen sind hübsch gelayoutet, schön bunt, mit braunem Jägermeister auf grünem Grund, rülps, lall. Da nimmt sich doch die Kurve gleich viel eleganter. Und die kleinen grünen Männchen innen drinnen sind marsmäßig mobil bei Arbeit, Sport und Spiel.

Da rasen sie durch den weiten, weiten Raum. Gleich wären sie in Ziesar, 37,5 Kilometer hinter dem Berliner Ring! Doch noch hat sie der Orbit nicht völlig losgelöst, zum siebten Mal heulen sie durch die Schleife, grüßen die Fahne, streifen die Reifen. „Michendorf, wie fern bist du!“ ruft die hochmotivierte Schar alter Haudegen und stürmischer Youngster, der Sänger, der Spitzenreiter, die Lady, die Rheinhessische Amazone, Miss Österreich, und Miss Steiermark. Wer als erster durch die Ziellinie fährt, ist der Sieger.

Aus, vorbei, die Sitzung ist geschlossen. Ab in die Wagenburg, für zehn Mark freigestellte Abmessungen und Formen der Ein- und Auslaßkanäle des Original-Zylinderkopfes bei Saugern gucken gehen, Kebab einwerfen, Fahrer lagern sehen, Bier zischen. Hier kurven die Blondies, hier kuscht der Azubi, hier wirbt der Westen und Mercedes, diesmal von Daimler, hängt am Krahn, ein anderer am Tropf.

Stoisch nehmen Mechaniker Autos auseinander, bauen sie zusammen, nehmen sie auseinander, bauen sie zusammen. Jeder läßt das Öl ab, öffentlich. Mancher bewegt seinen neuen Treser über den Platz. Achtung, Wildwechsel!

So richtig sinnlich erfahrbar wird die Wunderwelt der Motoren aber erst, wenn das Schmalz in der Nase geronnen ist, wenn die Schleimhäute in den Ohren gereizt sind und wenn der Mund voll mit Schweiß aus den Achselhöhlen deines Nächsten ist. Dann war es ein schöner Samstag.Gabriele Riedle