Jugendamt contra ehrenamtliche Ausreißerbetreuung Dortmunder Beratungsstelle für Jugendliche und Kinder auf Trebe will in Witten ein Haus für mißhandelte Kinder einrichten / Wittener Jugendamt behindert diese Pläne, ist aber selbst nicht in

Jugendamt contra ehrenamtliche Ausreißerbetreuung

Dortmunder Beratungsstelle für Jugendliche und Kinder auf

Trebe will in Witten ein Haus für mißhandelte Kinder

einrichten / Wittener Jugendamt behindert diese Pläne, ist aber selbst nicht in der Lage, verantwortungsvolle

Betreuungsarbeit zu leisten

Aus Dortmund/Witten A.Weber

Der Zuständigkeitsbereich der städtischen Jugendämter ist groß, auf die spezielle Situation einzelner Kinder kann aus Zeitmangel nur selten differenziert eingegangen werden. In Dortmund gibt es seit vier Jahren einen Verein, der sich bemüht, dieses Manko auszugleichen. Jährlich werden in der BRD etwa 40.000 Kinder von ihren Eltern als vermißt gemeldet. Hinter der Ausreißerproblematik steht pädagogisches Fehlverhalten, das von Unverständnis und mangelnder Zuwendung bis zu groben Mißhandlungen reicht. Die zehn ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der „Jugendliche -Ausreißer-Beratungsstelle“ (JABS) in Dortmund sind größtenteils pädagogisch interessierte StudentInnen.

Die Kinder und Jugendlichen erfahren über Mund-zu-Mund -Propaganda von der Beratungsstelle. Selbst aus weit entfernten Städten wie Kiel und München trampen Jugendliche nach Dortmund. „Die halten es zu Hause nicht mehr aus oder kommen im Heim nicht klar. Meist sind sie erst im Bahnhofsviertel auf Trebe, dann landen sie alle irgendwie hier oder in Münster bei einer ähnlichen Einrichtung für Ausreißer. Sie suchen Schutz und einfach jemanden, der sich um sie kümmert“, sagt Michael Rotermund von der Beratungsstelle. Die JABS-MitarbeiterInnen nehmen die Kinder und Jugendlichen solange in ihren Privatwohnungen auf, bis sie über Verhandlungen mit Jugendämtern und Eltern andere Lösungen gefunden haben.

Um effektiver arbeiten zu können, gründete JABS vor kurzem in der Nachbarstadt Witten den „Auffanghause.V.“ mit dem Ziel, längerfristig ein Haus für mißhandelte Kinder einrichten zu können. Das Jugendamt der Stadt Witten, das „die Idee an sich begrüßt“, so der Amtsleiter, behinderte die Arbeit des Vereins jedoch bereits bei seinem erstem Betreuungsfall: Ein zwölfjähriges griechisches Mädchen, das von seinen Eltern starker körperlicher und seelischer Mißhandlung ausgesetzt war, hatte sich im März dieses Jahres an den Verein in Witten gewandt. Nach Verhandlungen mit dem Jugendamt der Stadt, wurde das Mädchen zu seinem Schutz und auf eigenen Wunsch in ein Kinderheim eingewiesen. Nachdem die Eltern sich beim Jugendamt beschwert hatten, begann ein Tauziehen um das Kind zwischen dem Amt, den Eltern und dem Auffanghause.V. Das Mädchen wurde von der zuständigen Sachbearbeiterin des Jugendamtes wieder zu seinen Eltern nach Hause geschickt. Als es sich aus der häuslichen Situation erneut zu dem Auffanghause.V. geflüchtet hatte, kam es auf Weisung des Jugendamts zurück in das Heim.

„Dieses psychische Wechselbad“, so Rotermund, „mutete die Sachbearbeiterin dem Kind sechs Wochen lang zu, bis seine Eltern es einfach aus dem Heim holten und mit nach Griechenland nahmen.“ Vermehrt hatte der Auffanghause.V. die Sachbearbeiterin darauf hingewiesen, daß das Leben des Kindes gefährdet sei, wenn man es seinen Eltern überlasse. Ein Arzt hatte schwere Mißhandlungen an dem Kind attestiert, und eine Schulpsychologin schätzte das Mädchen aufgrund seiner häuslichen Situation als „klar suizidgefährdet“ ein. Zudem bescheinigte sie, daß die Eltern dem Kind häufig mit Mord drohten. Das alles war der Sachbearbeiterin des Wittener Jugendamts bekannt, trotzdem beantragte sie nicht die Entziehung des Sorgerechts.

Der Auffanghause.V. richtete jetzt eine Dienstaufsichtsbeschwerde an die Stadtverwaltung Witten, „weil das Versäumnis der Sachbearbeiterin nicht mit Überarbeitung entschuldigt werden kann, sondern grobe Unverantwortlichkeit ist“, so Rotermund. Er und seine MitarbeiterInnen sehen sich durch die Beschwerde nun selbst in einem Dilemma: Einerseits sind sie als „Ehrenamtliche“ auf die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt angewiesen und dürfen sich dessen Symphatie nicht verscherzen. Andererseits sehen sie ihre Arbeit bereits jetzt im Vorfeld schon blockiert und mißachtet.