LEICHENPLAUDEREI

■ Gespräche nach einer Beerdigung im Schloßpark-Theater

LEICHENPLAUDEREI

„Gespräche nach einer Beerdigung“ im Schloßpark-Theater

Es sind zwei Brüder und eine Schwester, die ihren Vater mit Musik aus dem Cassettenrecorder zu Grab tragen, um ihm den Tonträger anschließend hinterherzuwerfen. Trauerarbeit verrichten ansonsten nur noch ein Onkel der Familie mitsamt seiner im Alter von 63 Jahren geheirateten Frau, und, zu spät kommend, die Geliebte des jüngeren Bruders.

Was diese sechs Personen anschließend im Garten bzw. Wohnzimmer des väterlichen Hauses zu reden haben, ist nicht der übliche Erbschaftsstreit, der in vielen Familien für dauerhaften Konflikt- und Redestoff sorgt.

Heutzutage ist es wohl auch in Frankreich so, wo das Stück spielt, und wo die 28jährige Stückeschreiberin Yasmina Reza lebt, daß das allein beherrschende Thema einer solchen Versammlung die Begutachtung der Beziehungskisten ist.

Die Geschwister tauschen sich darüber aus, daß ihr Vater eine solche mit seiner Fußpflegerin hatte. Sie erklären sich ihre Unfähigkeit zu einer festen Bindung, denn alle drei sind unverheiratet geblieben. Die ältere Generation schildert ihr Liebesleben in dezenten Tönen, so wie sie es gern haben, und sind schockiert, wenn Anzüglichkeiten durch Worte wie „Ficken“ konkret werden, als der jüngere Bruder der dreimaligen Ehefrau diese Beschäftigung seines älteren Bruders mit seiner Verflossenen berichtet.

Die Schwester ist auf ihre Weise auch so ein Fall fürs Wollen und sich nicht trauen. Sie hat es zwar einmal draufgehabt, ihren Abteilungsleiter, einen allgemein bekannten Langweiler, für eine Nacht ins Bett zu holen, aber genauso abstoßend findet sie die Eröffnung der Tatsache, daß nun ihr älterer Bruder es auf dem gerade zugeschütteten Grabe treibt.

Überhaupt ist auch der jüngere Bruder nie erwachsen geworden. Zwar schreibt er Literaturkritiken, aber an seinem eigenen Anspruch ist er grandios gescheitert, wobei das Vorbild seines älteren Bruders in seinen Augen die Schuld trägt. Dieser ist offensichtlich in der Lage, den guten alten Macho zu demonstrieren, der aus dem Stegreif Geschichten erfinden kann, der Frauen die Illusion von Sicherheit eines rettenden Strohhalms gibt, und der charmant das Machtverhältnis des besitzanzeigenden Fürworts erklärt.

Die „Gespräche nach einer Beerdigung“ kommen fast ohne einen roten Handlungsfaden aus, wenn man davon absieht, daß die Verflossene mehrere Auf- und Abtritte hat, die etwas wie Struktur in den Abend bringen. Man sieht ansonsten gelassen wie ein Voyeur zu, was diese spezielle Familie sich zu sagen hat, sieht, wie sie umeinander herumstreichen und reden. Sie plaudern sich an der Oberfläche ihrer Probleme ab, und man ist froh, daß man nicht selber mit dieser Familie etwas zu tun hat. Oder etwa doch? Weil man ja schließlich weiß, daß sein Bruder diese Macke hat, und jener eine andere. Und daß sein liebes Schwesterlein ein ähnliches Päckchen zu tragen hat.

Aber eigentlich wollten wir doch ein ganz andres Theater sehen, das jenseits der Privatsphäre möglicherweise die Leichen zum Sprechen bringt.Qpferdach