Press-Schlag
: Der Stadtteil-Klub

■ Macht St.Pauli dem HSV ernsthaft Konkurrenz?

PRESS-SCHLAG

Der Stadtteil-Klub

Macht St.Pauli dem HSV ernsthaft Konkurrenz?

So aufgeregt ging's auf der Reeperbahn, Hamburgs Parademeile der käuflichen Frauen und verlebten Glitzerwelt unweit der Hafenstraße, lange nicht zu: Autohupen und lautstarkes Gegröhle von Männerhorden kündeten vom Sieg des FC St.Pauli beim SSV Ulm, bejubelten friedlich den Aufstieg ihres Vereins in die höchste Fußballspielklasse.

Zufriedenheit auf der ganzen Linie: Der Aufstieg des FC St.Pauli kam gerade recht. Der große Hamburger SV zählt an der Elbe nur noch wenig, sein Image ist nach einer Saison zum Abgewöhnen beinahe vollständig ruiniert. Der Stern der stadtteilverbundenen St.Paulianer strahlt dafür um so heller.

Skeptiker warnen jedoch vor zuviel Euphorie. Sie erinnern sich mit Grausen an die Saison 1977/78, als der FC St.Pauli zum ersten Mal den Aufstieg in die Erste Liga schaffte. Größenwahnsinnig verordnete das Präsidium einen Umzug in die kalte Betonschüssel namens Volksparkstadion, das heimische Wilhelm-Koch-Stadion, in dem an die Außenlinien die Zuschauerränge direkt anschließen, war nicht mehr fein und groß genug.

Die Strafe folgte auf den Fuß. Dem Publikum gefiel das Original HSV - gerade auf dem Weg in die europäische Spitze

-besser, die Kopie FC St.Pauli wirkte mittelmäßig und unattraktiv. Ein weiteres Jahr später, der Schuldenberg hatte astronomische Höhen erreicht, wurde den Aufsteigern vom DFB die Lizenz entzogen. Ende des Traums: Amateuroberliga Nord.

Ein neues Präsidium mit Otto Paulick an der Spitze, ein Manager namens Georg Volkert und schließlich Trainer Willi Reimann begannen vor wenigen Jahren, den FC St.Pauli wieder salonfähig zu machen. Metropole Spinnereien wurden beseitegefegt, jetzt galten Stadtteilbindung inklusive Hafenstraße (wenn auch dem Ex-Besetzer-Keeper Volker Ippig Neukauf Vollack vor die Nase gesetzt wird) und Vereinstraditionen als höchste Tugenden.

Dort, wo der HSV mit kühler Professionalität sein Publikum vergrault, spielt der FC St.Pauli mit viel Herz fürs Publikum. Die Atmosphäre bei Heimspielen wird als einmalig im bundesdeutschen Profifußball beschrieben. So richtig altmodisch spielten schon sieben Spieler des heutigen Erfolgsteam auch schon beim Zweitliga-Aufstieg vor zwei Jahren mit. Zehn Akteure dürfen sich als richtige Hamburger bezeichnen, kein Vergleich also mit dem HSV, dessen Mannschaft aus der ganzen Republik zusammengekauft wurde.

Weise hat die Vereinsspitze beschlossen, auch die Erstliga -Heimspiele mitten auf St.Pauli auszutragen. Ein Zuschauerschnitt von fast 9.000 Menschen pro Heimspiel inklusive des von der Bertelsmann-Gesellschaft „ufa“ auszuschüttenden Anteils an den Fernsehübertragungsrechten bedeutet, daß auch ökonomisch die Prognosen für die Millerntorianer recht günstig ausfallen.

Also nicht nur „Bayern wir kommen“, wie einige in Vorfreude bereits nach dem letzten Heimspiel am Dienstag skandierten. Der HSV kann sich auf einiges gefaßt machen.Jan Feddersen