VW: Auf der Überholspur in Richtung Sozialdemontage

■ IGM-Pressesprecher Jörg Barczynski zu den Sparplänen der Konzernleitung

VW: Auf der Überholspur in

Richtung Sozialdemontage

IGM-Pressesprecher Jörg Barczynski zu den Sparplänen der

Konzernleitung

taz: In dieser Woche feiern VW-Konzern und Stadt Wolfsburg zusammen ihr 50jähriges Bestehen. Für die Konzernleitung Anlaß, den Beschäftigten ein Sparprogramm zu präsentieren, das ihnen an die sozialen Besitzstände geht. Was sagt die IG Metall dazu?

Jörg Barczynski: Da hat sich die Konzernleitung tatsächlich ein dolles Geburtstagsgeschenk für die Belegschaft ausgedacht. Allerdings hat sie dabei die Rechnung ohne die IG Metall gemacht. Die Leistungen an die Beschäftigten bei VW sind keine Geschenke oder Almosen, sondern durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag abgesicherte Standards, von denen wir auch keine Veranlassung haben, abzugehen.

Die VW-Geschäftsleitung will ja nicht nur der Belegschaft ans Geld, sondern auch der IG Metall ans Eingemachte: Die Pausenvereinbarungen des seit 1973 als Franz Steinkühlers Jahrhundertwerk gelobten Manteltarifvertrags zur Humanisierung sollen von 40 Minuten pro Schicht auf 10 zurückgeschraubt werden. Was wird die IG Metall dagegen tun?

Zunächst mal sind das ja reine Wunschvorstellungen des VW -Vorstands, die sicher nicht neue Tarifgeschichte machen werden. Die Pausenregelungen gelten im übrigen ja nicht nur für VW, sondern sind die gleichen wie bei den Konkurrenten Daimler-Benz, Porsche und auch bei Audi in Neckarsulm. Die kommen alle mit ihren Kosten und Gewinnen zurecht und da kann VW nicht argumentieren, sie hätten Belastungen, die andere nicht haben.

Ist VW die Speerspitze des Sozialabbaus vor dem Hintergrund der schon länger prognostizierten Auto-Krise?

Daß es zumindest mit der Beschäftigung in der Automobilindustrie nicht so weitergeht wie bisher, vermutet die IG Metall auch. Zwar gibt es zur Zeit noch einen Autoboom, aber in den nächsten Jahren wird nach den uns vorliegenden Prognosen die Stückzahl der produzierten Autos sinken und gleichzeitig die Produktivität der Automobilfirmen weiter steigen. So entsteht eine Beschäftigungsschere, der im nächsten Jahrzehnt Tausende von Arbeitnehmern zum Opfer fallen werden.

Die jetzt bekannt gewordenen Pläne rufen ja nicht nur den Betriebsrat, sondern wegen des Haustarifvertrags für VW auch gleich die IG Metall mit auf den Plan. Wird die IGM im Unterschied zum friedenspflichtigen Betriebsrat in die Offensive gehen?

Der VW-Vorstand hat ein Renditeproblem, dem er mit seiner Wunschliste beikommen will, und wir werden natürlich mit ihm reden. Aber er haben ja bis heute nicht gesagt, daß er Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge kündigen will. Erst nach einer solchen Kündigung des Arbeitgebers wäre ja eine Kampffreiheit da, die in einen Streik münden könnte. Aber sowas will ich auch nicht herbeireden. Daß die IG Metall streikfähig ist, das weiß sicher auch das VW -Management.

Nun gibt es ja noch eine andere mögliche Einflußschiene: der IG Metallvorsitzende Franz Steinkühler ist stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats bei VW, läuft da was?

Es gibt natürlich Möglichkeiten über den Aufsichtsrat, und das nicht nur für dessen stellvertretenden Vorsitzenden, sondern für die ganze Arbeitnehmerbank. Allerdings sind Entscheidungen über Lohn und Leistung erstmal Sache von Geschäftsleitung und Betriebsrat, dann der Bezirksleitung der IGM in Hannover.

Ist der Aufsichtsrat ein Gremium, in dem man nur die Faust in der Tasche ballt?

Der Vorsitzende der IG Metall ist ja bekannt dafür, daß er nicht auf den Mund gefallen ist und der anderen Seite sagt, womit sie rechnen muß. Ich wüßte übrigens noch einen Sparvorschlag für VW: auf einen Schlag könnten sie bei den Vorstandsbezügen 10 Millionen Mark einsparen.

Das bringt aber nicht viel bei den anvisierten Summen.

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