Sie töten uns psychisch

■ Der tamilische Flüchtling Robert Selvalingam (Name geändert) war mit seiner Familie unter den 259 Tamilen, die die BRD per Schiff Richtung Kanada verlassen wollten

I N T E R V I E W „Sie töten uns psychisch“

Der tamilische Flüchtling Robert Selvalingam (Name geändert) war mit seiner Familie unter den 259 Tamilen, die die BRD

per Schiff Richtung Kanada verlassen wollten

taz: Warum wolltet Ihr die Bundesrepublik verlassen?

Selvalingam: Wir leben hier wie Sklaven. Ich wohne in Bremen, darf aber nicht nach Lilienthal gehen, was 15 km von der Stadtmitte entfernt liegt. Wenn ich es tue, müssen wir dafür Strafe zahlen. Wir erhalten eine Wohnung, Essen, Kleider. Aber bei allem hängen wir vom Sozialamt ab. Wir müssen um das betteln, was wir zum Leben brauchen. Manchmal wird es uns gegeben, manchmal nicht. Vom Meldeamt erhalten wir eine Steuerkarte, aber das Arbeitsamt erteilt uns keine Arbeitserlaubnis. Wir wollen dieses Land auch wegen der Zukunft unserer Kinder verlassen.

Was ist mit der Zukunft von Dir und Deiner Frau?

Unser Leben ist sowieso beendet, die Hälfte ist schon vorbei.

Könnt Ihr Euch vorstellen, nach Sri Lanka zurückzugehen?

Nein, daran denken wir nicht mehr. Die Politiker sagen, es sei Friede in Sri Lanka. Aber was passiert tatsächlich in Sri Lanka, in Jaffna? Tag für Tag werden unsere Menschen umgebracht, die indische Armee raubt unser Eigentum, täglich werden tamilische Frauen vergewaltigt. Die Verantwortlichen leugnen alles ab.

Wie sieht Euer Leben hier aus?

Sie töten uns psychisch, Tag für Tag. Manchmal heißt es, wir sollen im November abgeschoben, dann im Dezember, dann wieder im August. Wir wissen nicht, wann es tatsächlich passiert. Unsere Kinder haben wenig Freunde. Auf dem Spielplatz werden sie wegen ihrer dunklen Haut ausgeschlossen, raus, raus, heißt es, Ausländer raus. Wir hatten eine andere Situation erwartet, als wir nach Deutschland kamen. Täglich verschlimmert sie sich.

Hattet ihr keine Angst, mit so einem kleinen Schiff nach Kanada zu fahren?

Hier töten sie uns psychisch, wenn wir auf dem Schiff sterben, sterben wir alle zusammen, davor haben wir keine Angst.

Ihr habt Euer Geld dem Organisator ohne jede Sicherheit anvertraut...

Wir vertrauten ihm, erst in letzter Minute flog alles auf. Wir waren schon dabei, zum Schiff aufzubrechen.

Wieviel Geld habt Ihr verloren?

Frag mich nicht diese Frage!

Wie hast Du das Geld zusammenbekommen?

Auch das kann ich Dir nicht beantworten.

Wie war die Atmosphäre unter den wartenden Tamilen?

Alle glaubten fest daran, daß sie dieses Land verlassen würden und bald in Kanada wären.

Wie seht Ihr Eure Zukunft?

Das ist die Frage, ein großes Fragezeichen. Wir haben keine Hoffnung, den Flüchtlingsstatus zu erhalten. Vielleicht fährt wieder ein Schiff nach Kanada...Als wir Sonnabend nacht in unsere Wohnung zurückkamen, waren wir sehr traurig.Unsere Forderungen sind: Wir wollen Freiheit, die Freiheit zu reisen, die Freiheit zu reden, zu tun, was wir wollen. Sie müssen uns Asyl geben und unseren Kindern die Chance für eine gute Ausbildung.Interview: Biggi Wolff