Algen nicht zu stoppen

■ Fischbestände an der norwegischen Küste werden evakuiert / Mittlerweile 360 tote Seehunde in Dänemark / Greenpeace-Blockade gegen Säureverklapper in Nordenham von Polizei beendet

Algen nicht zu stoppen

Fischbestände an der norwegischen Küste werden evakuiert / Mittlerweile 360 tote Seehunde in Dänemark / Greenpeace

-Blockade gegen Säureverklapper in Nordenham von Polizei

beendet

Berlin/Nordenham (taz) - Das Sterben von Robben und Fischen in der Nord- und Ostsee geht ungebremst weiter. In Dänemark wurden jetzt 360 tote Seehunde registriert, auf Sylt sind bisher 40 tote Tiere angeschwemmt. Der Algengürtel vor der norwegischen Küste hat sich gestern erneut um 25 Kilometer vergrößert. Er droht in zwei bis drei Tagen das norwegische Fischzentrum Bergen zu erreichen. Mit mehr als 200 Anlagen hat Bergen die weltweit größte Fischzucht-Dichte. In den bedrohten Gebieten hält die Flucht vor den Algen an. Die Fische werden in die Fjorde evakuiert, wo das Brachwasser die Algen fernhält.

Das feuchtwarme Wetter mit starker Sonneneinstrahlung, die das Algenwachstum begünstigt, dauerte gestern in Norwegen an. Alles hofft auf eine Wetteränderung. Glücklicherweise drehte sich der Wind, der jetzt die Algen etwas aufs Meer hinaustreibt. Dadurch hat sich allerdings auch die Breite des tödlichen Algen-Gürtels mittlerweile auf 40 Kilometer vergrößert.

Unterdessen haben die Meeresforscher der Universität Bergen die Ursachen des Fischsterbens genauer dargelegt. Danach zerstören die Algen die Salz-Balance des Wassers. Der Salzgehalt werde von 22 auf über 30 Promille angehoben - für die Fische zuviel.

Die sozialistische Linkspartei Norwegens hat gestern einen dreijährigen ökologischen Ausnahmezustand und 15 Milliarden Kronen für den Umweltschutz gefordert.

Der norwegische Krisenstab tagt 18 Stunden täglich. In der Bundesrepublik hat die Katastrophe ein großes Orchester an Stellungnahmen und Forderungen Fortsetzung auf Seite 2

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Meere...

ausgelöst. Heute tritt auf Antrag der Grünen der Umweltausschuß des Bundestages zu einer Sondersitzung zusammen. Der Meereskundler und Algenspezialist Malte Elbrächter erklärte, daß nach der jetzigen Wetterlage für die deutsche Küste keine Gefahr bestehe. Mit einer ähnlich explosionsartigen Algenvermehrung sei hier nicht zu rechnen.

Gerstern nachmittag ging die Polizei unterdessen gegen die Schiffsblockade von Greenpeace in Nordenham am Kai der Kronos-Titan-Werke vor. Ein Schlauchboot der Wasserschutzpolizei keilte sich zwischen das Heck des Säure -Tankers „Kronos“ und die Kaimauer. Die Polizisten kappten die Leinen, mit denen das Greenpeace-Schlauchboot seit anderthalb Tagen unter dem Fallrohr der „Kronos“ festgebunden war. Das Polizeiboot schleppte das Greenpeace -Boot weg, ehe die Umweltschützer sich selbst an der „Kronos“ festketten konnten, wie sie es vorhatten.

Wo vorher das Greenpeace- Schlauchboot gelegen hatte, vertäuten nun die Wasserschutzpolizisten ihr Boot. Mit einem Schneidbrenner durchtrennten sie die Ankerkette, mit der die Greenpeace-Gruppe das Schiff am frühen Montagmorgen an die Pier gefesselt hatten. So wollte Greenpeace verhindern, daß die „Kronos“ ausläuft und ihren mit Dünnsäure gefüllten Schiffsbauch in die Nordsee entleert.

Am Montag Nachmittag hatte die Firma sich an das Nordenhamer Amtsgericht gewandt und eine einstweilige Verfügung erwirkt. Der Umweltschutzorganisation wurde verboten, das Beladen und Ablegen des Schiffes zu behindern. Greepeacer Harald Zindler mit 10.000 Mark Geldstrafe oder zehn Tagen Haft bedroht.

„Eine Niederlage für die Nordsee.“ So kommentierte Harald Zindler die erfolgreiche Polizeiaktion. Das „Deutsche Hydrographische Institut“ in Hamburg, das die Genehmigung für Kronos-Titan ausstellt, will der Greenpeace-Forderung nach einem Verbot der Verklappung erst dann entsprechen, wenn der Sauerstoff-Gehalt der Nordsee noch weiter zurückgeht.

Greenpeace hat direkt nach der Räumung eine „Spontan -Demonstration“ mit ihren Booten auf der Wesermündung angekündigt. Die Umweltschützer wollen nach wie vor verhindern, daß die Kronos mit ihrer Dünnsäurefracht ausläuft.Manfred Kriener/Michael Weisfeld