Wider das Bevormundungsgesetz

■ Bundesweiter Aktionstag gegen das Beratungsgesetz zum §218 / Über das Beratungsziel ist ein Kompromiß zwischen FDP und CDU möglich / Die Verschärfungen bringen jedoch die Maßnahmen gegen die Ärzteschaft

Wider das Bevormundungsgesetz

Bundesweiter Aktionstag gegen das Beratungsgesetz zum §218 / Über das Beratungsziel ist ein Kompromiß zwischen FDP und

CDU möglich / Die Verschärfungen bringen jedoch die

Maßnahmen gegen die Ärzteschaft

Von Helga Lukoschat

Eine kleine Weile herrschte Verwirrung in der Frauenszene, die den Widerstand gegen das geplante Beratungsgesetz zum Paragraphen 218 organisiert. Wann ist Tag X? Doch nun steht das Datum für den dezentralen Aktionstag fest, und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Am 8.Juni wird der Entwurf für ein Schwangerenberatungsgesetz, so der offizielle Titel, im Bundeskabinett verhandelt; am gleichen Tag sollen in zahlreichen Städten größere und kleinere Aktionen über die Bühne gehen.

„Besucht die CDU-Büros“ heißt beispielsweise das Motto der Initiative „Frauen begehren Selbstbestimmung“, eines bundesweiten Zusammenschlusses von grünen Frauen, Gewerkschafterinnen und autonomen Frauengruppen. Ganz auf Agitation setzen Berliner §-218-Gegnerinnen: Sie wollen am Juni auf dem Kurfürstendamm TouristInnen und PassantInnen mit einer „Massen-Zwangsberatung“ beglücken.

Der nordrhein-westfälische Landesverband der Pro Familia wird am Tag X gar seine Beratungsstellen dichtmachen. Statt dessen überlegen sich die MitarbeiterInnen, nach Bonn zu fahren, um vor Ort ihre Bedenken öffentlich zu machen.

Über welche Vorlage das Kabinett am 8.Juni verhandeln wird

-ob sie eher die Handschrift der Lebenschützerfraktion der C-Parteien oder die der FDP tragen wird - ist noch nicht entschieden. Obwohl offiziell Stillschweigen gewahrt wird, scheint sich zumindest bei der Formulierung des Beratungsziels eine Kompromißformel abzuzeichnen. Entgegen der Vorstellungen aus dem Süssmuth-Ministerium will die FDP das Recht auf Entscheidungsfindung und Freiheit der Frauen betonen und den „Schutz des ungeborenen Lebens“ als lediglich ein wichtiges Beratungsziel unter anderen definieren.

Doch so sehr diese Formulierungen ein Gradmesser für die ideologische Ausrichtung des Gesetzes sein werden, sie bilden nicht den Hebel, mit dem die soziale Indikation aus den Angeln gehoben werden soll und der das Beratungsgesetz so gefährlich macht. Zu wenig wird in den laufenden Auseinandersetzungen beachtet, daß es neben den Beratungsstellen vor allem die Ärzteschaft ist, die unter Druck gesetzt wird. Denn nur Ärztinnen und Ärzte dürfen die Indikationen feststellen, die Abtreibungen nach dem geltenden §218 legalisieren. Das per Gesetz angestrebte Beratungsziel wird sich in der Praxis immer unterlaufen lassen. Frauen können im richtigen Moment „das Richtige“ sagen, sie können sich stillschweigend mit der Beraterin verständigen. In bestimmten Lebenssituationen wird sich keine Frau durch eine moralisierende Belehrung umstimmen lassen, eine ungewollte Schwangerschaft fortzusetzen. Doch wenn sie die Zwangsberatung „unbeschadet“ überstanden hat, benötigt sie immer noch die ärztliche Indikation, wenn sie sich nicht strafbar machen oder ins Ausland ausweichen will. Genau hier setzt das Beratungsgesetz an: Ärztinnen und Ärzte werden so massiv gegängelt und eingeschüchtert, daß sie von allem, was mit dem §218 zu tun hat, die Finger lassen werden. Zum Beispiel sollen sie mindestens einmal pro Jahr an Fortbildungsmaßnahmen im Sinne des „Lebensschutzes“ teilnehmen, und das für eine Tätigkeit, die weder gesellschaftliches Prestige besitzt noch im ärztlichen Leistungskatalog hoch honoriert wird. Abschreckend wirkt auch die vorgesehene Verschärfung der Meldeplicht Abtreibungen dürfen künftig nur dann über die Krankenkassen abgerechnet werden, wenn diese an das Statistische Bundesamt gemeldet sind. ÄrztInnen müssen zurecht befürchten, bei den Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigungen als „Abtreibungsärzte“ geführt zu werden. Vor allem an diesen Punkten wird sich die FDP messen lassen müssen, falls am 8.Juni nach der Kabinettssitzung sie für sich reklamiert, das Beratungsgesetz „moderat“ und im Sinne der Frauen umgeändert zu haben.

Im Chor der KritikerInnen ist die Stimme der Ärzteschaft trotz der prekären Situation eine der leisesten. Auf dem Ärztetag im Mai wurde das Beratungsgesetz sogar begrüßt. Kritisiert wurde nur die vorgesehene personelle Trennung von Beratung und Indikation. Bislang können rund tausend niedergelassene ÄrztInnen beide Vorgänge miteinander verbinden und damit Frauen wenigstens einen Weg ersparen. Ihnen wird nun mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 DM gedroht, falls sie gegen die neue Regelung verstoßen.

Klaren und deutlichen Protest hat bislang nur der relativ kleine, „Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte“ geäußert, der vergangenes Jahr als Gegengewicht zu den übermächtigen Standesorganisationen gegründet wurde. Zum CDU -Parteitag unter dem Leitbegriff Lebensschutz am 14.und15.Juni in Wiesbaden organisiert der Verein eine Gegenveranstaltung.

Der Parteitag ist auch für die Aktivistinnen aus der Frauenbewegung ein wichtiger Termin: Die Resonanz in den Medien ist dem Parteitag gewiß, und auf Medienwirksamkeit hofft auch die Vorbereitungsgruppe, die für den 14.Juni eine Demonstration mit anschließender Kundgebung in Wiesbaden plant. Die Aktionen und Veranstaltungen am Tag X sollen nicht zuletzt möglichst viele Frauen dafür mobilisieren. „Im Rhein-Main-Gebiet ist die Resonanz auch ganz gut“, weiß Christa Merkel von den Grünen zu berichten, die sowohl die Koordination für den Tag X als auch für die Wiesbadener Demonstration übernommen hat.

Bereits drei Tage zuvor, am 11.Juni, wird es in Berlin einen ganz anderen „Umzug“ geben, der mit Witz und Satire das Beratungsgesetz aufs Korn nimmt. Durch die Innenstadt wird sich eine lärmende Prozession der Büßerinnen bewegen. Sie geloben der „lieben lieben Frau Süssmuth“ Umkehr und Buße. Angeführt wird die Prozession von den Reuigsten der Büßerinnen, die auf einem mittelalterlichen Schandkarren sich mit der neunschwänzigen Peitsche „geißlern“ werden. Begleitet werden sie auch von einer internationalen Abordnung der Engelmacherinnen und Kurpfuscher, die sich bei der Frauenministerin dafür bedanken, daß ihr Berufsstand vor dem Aussterben bewahrt wird. Und auch eine Delegation schwangerer Männer wird nicht fehlen, die „trotz der Schwere der Aufgabe“ erkannt haben: „Gebären darf nicht Frauensache bleiben!“

Kontakte und Termine: Koordination für den Tag X: Christa Merkel (Frauen begehren Selbstbestimmung): 0228/ 69 20 21.

Demonstration und Kundgebung in Wiesbaden: 14. Juni; Sammelplatz 16.30 Uhr Luisenplatz.

Büßerinnen-Prozession in Berlin: 11. Juni, 11 Uhr ab Adenauerplatz