Parteikonferenz vertagt Streitfragen

■ In Belgrad ging am Dienstag die Sonderkonferenz des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens zu Ende / Kritik an Parteiführung stand im Vordergrund / Beschlüsse zur Lösung der Wirtschaftskrise und zur Refor

Parteikonferenz vertagt Streitfragen

In Belgrad ging am Dienstag die Sonderkonferenz des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens zu Ende / Kritik an

Parteiführung stand im Vordergrund / Beschlüsse zur Lösung der Wirtschaftskrise und zur Reform des politischen Systems wurden verabschiedet

Aus Budapest Roland Hofwiler

Nun wolle er es wissen, sagte kurz vor Ende der dreitägigen Landeskonferenz der Jugoslawischen Kommunisten ein Parteifunktionär aus Slowenien: „Wie konkret waren die Putschpläne ausgearbeitet, um unseren slowenischen Weg der Liberalisierung zu treffen?“ Die Frage lief noch über Monitor, die Polemiken darauf blieben hinter verschlossenen Türen.

Mit Beschlüssen zur Lösung der Wirtschaftskrise und zur Reform des politischen Systems ist am Dienstag abend in Belgrad die Sonderkonferenz zu Ende gegangen. Die Konferenz war geprägt von Kritik an der Parteiführung und der Forderung nach raschen Maßnahmen zur Behebung der Wirtschaftsmisere. Von vielen heißen Themen über die die 786 Genossen aus den Landesverbänden der sechs Teilrepubliken und den zwei autonomen Gebieten debattierten, bekam die Öffentlichkeit nur Bruchstücke mit - auch darüber, was die Partei vor die Zerreißprobe stellt. Denn im Gegensatz zu analogen Veranstaltungen in Ungarn und der Sowjetunion blieben vom Sava-Kongresszentrum in Belgrad über 500 Journalisten ausgesperrt, und das, was über Radio und Fernsehen der Bevölkerung vorgezeigt wurde, roch stark nach Ideologie: „Der Partei das Recht abzusprechen, das politische und gesellschaftliche Leben zu formulieren, entspringt dem Gedankengut von Konterrevolutionären. Diese Bemerkung konnte sich der serbische Parteichef Slobodan Milosievic nicht verkneifen. Sein kroatischer Kollege Ante Markovic fragte: „Können sich Aktiengesellschaften mit privatem Eigentum mit den Errungenschaften der Revolution vertragen, ist Profitdenken mit dem Sozialismus vereinbar?“ Wohl kaum, gab er sich selbst die Antwort. Und doch, mehr Marktwirtschaft, das sei das „Zauberwort, um die Krise zu bewältigen“.

Das nicht allzu überzeugend. Denn die von der Regierung am Wochenende freigegebenen Preise für Lebensmittel (Preissteigerung 12 bis 60 Prozent), Strom (31 Prozent) und Erdöl (36 Prozent) sowie die gleichzeitige Abwertung des Dinars (19 Prozent) sind nicht etwa erste Folgen aus Parteirichtlinien, sondern Auflagen des IWF, der ansonsten einen neuen Umschuldungskredit von 500 Millionen Dollar nicht genehmigt hätte. Ohne diesen Kredit hätte das mit 21 Milliarden Dollar verschuldete Land wirtschaftlich schlecht dagestanden. Das sprach der slowenische Parteichef Milan Kucan deutlich aus. Er hatte das Wort ergriffen, nachdem der serbische Jungfunktionär Dragan Kalinic die Bonzen attakierte: „Gewisse Spitzenfunktionäre haben für mich jede Autorität verloren, denn anstatt daß sie für die Politik leben, leben sie von ihr und das ausgezeichnet mit Privilegien“. So deutlich dieser Vorwurf war, die Delegierten verhielten sich ruhig. Anders, als Kucan ans Mikrofon trat. Buhrufe wurden laut - die Kameras wurden „vorsorglich“ ausgeschaltet. Tags darauf stand in den Zeitungen, was Verwerfliches der Slowene gesagt hatte: „Die politische Avantgarde kann nicht diejenige Kraft sein, die sich an die Hebel der Macht klammert, sondern die am meisten beiträgt zum gesellschaftlichen Fortschritt und zur demokratischen Entwicklung. Und das sind wir in Slowenien mit unserem Sozialismus nach Maß des Menschen“. Besänftigend traten kroatische und bosnische Parteigenossen zwischen die Kucan- und Milosevicfraktion und erzwangen mit ihrer Stimmenmehrheit eine „Vertagung der Streitfragen“. „Wieder nichts gewesen, die Probleme werden täglich größer und die Politiker veranstalten Plauderstündchen“, kommentierte dazu die Mariborger 'Vecer‘. Das Wochenblatt 'Danas‘ hat dafür nur noch Spott übrig: Nach Marx müßte doch irgendwann einmal der Staat absterben, doch bei uns scheint sich die Partei verabschieden zu wollen.