Robben-Tod durch Herpes

■ Töpfer bestreitet gravierende Vorbelastung der Tiere als wesentliche Ursache / Grüne fordern Notprogramm / Extrem hohe Phosphoreinleitungen

Robben-Tod durch Herpes

Töpfer bestreitet gravierende Vorbelastung der Tiere als

wesentliche Ursache /

Grüne fordern „Notprogramm“ / Extrem hohe

Phosphoreinleitungen

Berlin/Bergen (taz) - Das Robbensterben an der Küste Dänemarks, Schwedens und der BRD wird durch Herpes-Viren verursacht. Dieser Nachweis ist jetzt dem dänischen Veterinär-Institut in Lindholm gelungen und von niederländischen Wissenschaftlern bestätigt worden. Der genaue Herpes-Typ sei noch nicht bekannt und man wisse nicht, warum er gerade jetzt zum Vorschein gekommen sei. Aber: „Es ist sicher, daß die Lungenentzündung bei den Robben durch dieses Virus verursacht wird“, sagte Peter Aaager von der dänischen Umweltdirektion. Die Zahl der toten Robben ist gestern auf 400 angestiegen. In Norwegen ist die Wachstumsgeschwindigkeit des tödlichen Algengürtels gestern leicht zurückgegangen. Der Algenteppich vergrößerte sich „nur“ noch um 15 bis 20 km. Durch den gedrehten Wind wurden Teile des Teppichs aufs offene Meer hinausgetrieben. Der Algengürtel wird weiterhin von Forschungsschiffen und Spezialflugzeugen beobachtet. Gegenmaßnahmen stehen nicht zur Verfügung. Auch die diskutierte Kalkung der betroffenen Gewässer wurde verworfen. Aufsehen erregte ein Bericht dänischer Biologen, wonach die Phosphoreinleitungen in die Nordsee in diesem Frühjahr um 50 Prozent höher seien als im Vorjahr. Fortsetung auf Seite 2

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Durch den milden und feuchten Winter seien besonders viele Düngemittel ausgewaschen worden.

12 Milliarden Kronen will die dänische Regierung in ein Notprogramm investieren, um bis 1994 moderne Filter- und Kläranlagen zu bauen.

In Dänemark hat die Ankündigung von Nordwest-Winden große Ängste ausgelöst. Es wird befürchtet, daß damit eine große Algeninvasion im Kattegat einsetzt.

In Bonn haben die Grünen gestern morgen auf der von ihnen durchgesetzten Sondersitzung des Umweltausschusses ein Notprogramm gegen die Umweltkatastrophe gefordert. An erster Stelle steht ein Verbot für das Einbringen von Abfallstoffen und die Müllverbrennung auf See. Außerdem verlangen sie eine „Schwarze Liste Produktion“ für besonders gefährliche Umweltchemikalien, die verboten werden müßten.

Nicht die Killer-Algen würden die Nordsee kaputtmachen, sondern die Verantwortlichen in Industrie und Politik, heißt es in einer Erklärung des Bundesvorstandes der Partei.

Umweltminister Töpfer sprach vor dem Umweltausschuß erneut vor einem „rätselhaften Robbensterben“. Der Verdacht, daß das Immunsystem der Tiere durch Umweltbelastungen stark geschwächt sei, sei nicht erhärtet. Dennoch müsse der Verdacht anspornen, die Schadstoffbelastungen möglichst rasch zu senken. Der Gesamtbestand der Robben in den betroffenen Seegebieten von 10.000 bis 15.000 Tieren sei nicht gefährdet, behauptete der Minister.

Die Forderungen nach einem Sofortprogramm konterte er mit dem Hinweis auf die internationalen Vereinbarungen zum Schutz der Nordsee. Es liege nicht an der Bundesrepublik, daß man hier nicht schneller vorankomme. Auch ein Sofort -Verbot der Dünnsäure-Verklappung lehnt Töpfer kategorisch ab. Dadurch werde angeblich der langfristige Ausstiegsplan für die Verklappung gefährdet.

Forderungen nach schärferen Umweltgesetzen kamen gestern auch von der Fischereiwirtschaft. Die Ressource Fisch müsse erhalten bleiben, warnte das Marketing-Institut der Branche in Bremerhaven. Landwirtschaftsminister Kiechle wies unterdessen lobbygemäß jede Verantwortung der Landwirtschaft für die Katastrophe in Nord- und Ostsee zurück. An erster Stelle der Ursachen nannte Kiechle Schadstoffe aus der DDR.Gunnar Köhne / Manfred Kriener