Hör-Foul

■ Rundfunkübungen im amerikanischen Sender

Hör-Foul

Rundfunkübungen im amerikanischen Sender

Nachwuchs-Kommunikationswissenschaftler von der TU Berlin haben nach einem Semester Hörspielgeschichte und Theorie der Hörspielformen zum Mikrophon gegriffen und sich in der Praxis versucht: Sechs Kurz-Hörspiele entstanden auf diese Weise, die das Spektrum des Hörspiels ausmessen: Originalton, Collage, Geräuschhörspiel und Hörspiel-Satire. Gesendet werden diese Versuche zusammen mit Äußerungen der Produzenten über ihre Arbeit, so daß sich aus den Hörspielen und ihrer Herstellung quasi eine Originaltoncollage des Produktionsprozesses ergibt.

Das Seminar wurde vom RIAS-Dramaturgen und Regisseur Götz Naleppa betreut. Götz Naleppa war bis zum Februar dieses Jahres festangestellter Hörspielredakteur des RIAS. Doch in dem jahrelangen Prozeß gezielter Strangulation experimentierfreudiger Hörspielabteilungen quer durch die öffentlich-rechtlichen Sender wurde im Februar auch dem RIAS -Hörspiel die Luft abzudrehen begonnen: Naleppa, de über Jahre das hohe Niveau der RIAS-Hörspielarbeit entscheidend geprägt hatte, sollte sich plötzlich nur noch auf die in seinem Arbeitsvertrag stehenden Regie-Aufgaben beschränken, nicht aber seine vorherigen Arbeiten fortsetzen, mit denen er sich „besondere Verdienste um das progressive, avantgardistische und experimentelle Hörspiel“ erworben habe. So der neue Leiter der Hörspielredaktion, Ruprecht Kurzrock, ein Laie auf dem Gebiet des Hörspiels. Besondere Verdienste werden ja im allgemeinen als Kreuz oder am Bande getragen, in der immer weiter auf Breitenwirksamkeit hin plattgetretenen Hörwelt aber selten zur Fortsetzung empfohlen. Zynisch, wie offizielle Verlautbarungen nach Palast-Revolutionen nun einmal sind, sprach Herr Kurzrock im Stil des bekannten, harmlos verkleideten Märchen-Wolfes davon, Naleppa würde sich als verdienter Avantgardist „in der neuen Redaktion nicht wohl fühlen“. Ob er sich als Regisseur noch wohlfühlen kann, für eine Redaktion Aufnahmen zu machen, die das Hörspiel „bei gewahrtem Anspruch“ ein „größeres Publikum“ erschließen lassen will, sei dahingestellt wie die Frage, wo schon jemals ein „Anspruch“ vor dem Fetisch des großen Publikums gewahrt werden konnte.

Mit dem Zugriff der Eckenabschleifer und Breitenwirksamkeitsstrategen auf das Hörspiel im RIAS gingen organisatorische Veränderungen einher, aus denen viel besser die Absichten des Coup abzulesen sind. Die Hörspielabteilung ist auf Redaktionsstatus heruntergestuft worden, und die ehemalige Einheit von Dramaturgie und Realisatioon aufgelöst. Regisseure sind nun direkt der Sendeleitung unterstellt und ein Stück auch produktionstechnischer Autonomie des Hörspiel so zerbrochen. Der Fall RIAS stellt nicht den Einzelfall eines Hörspiel-Kraters in der kraterdurchschossenen Rundfunklandschaft dar; zu fürchten ist, daß sie im öffentlich-rechtlichen Bereich unter dem Druck des Konkurrenzkampfes mit den kommerziellen Privasendernweiterwächst. Den Mut, das Experimentelle in Randbereichen zu verankern und Minderheiten vonHörern, die so klein nun auch nicht sind, als Publikum zu respektieren, findet man im Rundfunk kaum mit Hörrohr. Rundfunkprogramme, die nicht von der Selbstkasteiung mit der selbstgebastelten Knute von Einschaltquoten deformiert wären und den Hörbrei zum Ideal der Programmplanung machten, gehören inzwischen ins Fabelreich, wo die Zwerge experimentoffener Privatsender wohnen.

Warum diese Anmerkungen bei Gelegenheit der Hörspielsendung Vom Seminar zum Mikrophon des im RIAS kaltgestellten Götz Naleppa? Weil es Trppenwitze auch in der Medienrealität gibt. Für diese Sendung wirbt der RIAS mit dem Satz: „Vielleicht vermag die Sendung über den Hör-Spaß hinaus Zuhörer anzuregen, sich selbst im Medium Hörspiel zu versuchen.“ Wenn die Anregung tatsächlich zustande kommt, dann müßte es für die Zuhörer mit großer Wahrscheinlichkeit beim Versuch bleiben, sich in einem Medium zu versuchen, das eingeengt und, wo nicht eingeengt, abgeflacht wird. An Hochschulen können Seminare übers Hörspiel stattfinden, die in Hörspielpraxis einmünden; das aber bleibt Theorie, weil in der Praxis gerade diese Praxis liquidiert wird. Wo die Ergebnisse von Naleppas Hörspiel-Seminar Zuhörer zum Selbermachen auffordern, werden sie vom RIAS Berlin und seiner gegenwärtigen Hörspielstrangulation nur noch zum Semi -Narren gehalten. „Vom Seminar zum Mikrophon“, 2235 - 2330, RIAS 1up