: "Kraft durch Freude"-Wagen
„Kraft durch Freude„-Wagen
Autobahnbau und Volkswagen sind bis heute die Stichworte, durch die der Mythos entstand, Hitler habe mit der Strategie der Massenmotorisierung dafür gesorgt, daß auch der kleine Mann sich seinen Traum vom Besitz eines eigenen Automobils erfüllen konnte. Tatsächlich aber ist die nationalsozialistische Motorisierungspolitik ein Exempel für die Ausbeutbarkeit von Bedürfnissen und Wünschen, für die Funktionalisierung des Alltags im Nationalsozialismus.
Weder der Volkswagen noch die Pläne einer Massenmotorisierung sind als solche faschistisch; sehr wohl aber sind sie Bestandteile einer spezifisch nationalistischen Politik, die ihren Gegenständen anhaftet und die man nicht einfach abstreifen kann. Es klingt fast unglaubwürdig, daß der „KdF„-Wagen, so benannt nach der Urlaubs-Abteilung „Kraft durch Freude“ der nationalsozialistischen „Deutschen Arbeitsfront“, zum Symbol nationalsozialistischer Sozial- und Wirtschaftspolitik werden konnte, obgleich kein Volkswagen das Volk erreichte. Bis zum Kriegsende wurden lediglich 630 zivile Volkswagen für Parteifunktionäre gebaut.
Dagegen lief die militärische Fahrzeugproduktion auf Hochtouren: etwa 70.000 Wagen, in der Hauptsache die VW -Kübelwagen vom Typ 62 und 82, wurden für die Wehrmacht gebaut. Minen, Flugzeugteile, Kanonenöfen und die Montage von Vl-Raketen ergänzten die Produktionspalette.
Der Volkswagen ist keine nationalsozialistische Idee. Hätte Hitler den Volkswagen nicht zu seinem Lieblingskind erkoren und dessen Konstrukteur, Ferdinand Porsche, nicht direkt protegiert, ein Automobil nach den Konstruktionspinzipien Porsches wäre über kurz oder lang ohnehin gebaut worden.
Ferdinand Porsche, der schon vor dem Ersten Weltkrieg überaus erfolgreich Rennautos und Flugzeugmotoren konstruiert und im Ersten Weltkrieg u.a. mehrere großkalibrige k.u.k.-Mörser motorisiert hatte, arbeitete seit den zwanziger Jahren an der Entwicklung eines Automobils, das komfortabel, leistungsstark, sparsam und erschwinglich sein sollte.
Eine solche Konstruktion setzte nicht nur die Einführung amerikanischer Produktionsmethoden (z.B. des Fließbandes) voraus; vor allem mußten Motor und Automobil leichter werden, um trotz eines reduzierten Hubraumes zu einer brauchbaren Leistungsumsetzung zu kommen.
Hitler erkannte die Chancen, die seiner Politik aus den Plänen Ferdinand Porsches erwuchsen. Hitlers Strategie der Massenmotorisierung, Porsches Konstruktionsprinzipien und das fordistische Produktionsmodell ergänzten sich und nahmen im VW-Werk konkrete Gestalt an: eine nationalsozialistische Gestalt.
Denn die Lösung, die Hitler angesichts des hinhaltenden Widerstandes der immer noch mittelständisch strukturierten deutschen Automobilindustrie gegen den Volkswagen wählte, ist in Idee und Durchführung genuin nationalsozialistisch:
-unmittelbare Protektion Porsches, der dem Reichsverband der Automobilindustrie als Vertragspartner für die Entwicklung des Volkswagens aufgezwungen wurde;
-Herauslösung des Volkswagenprojekts aus dem Bereich privatkapitalistischer Produktion durch die Gründung des VW -Werkes im Eigentum der Deutschen Arbeitsfront;
-Ausbildung nationalsozialistischer Facharbeiter im VW -Vorwerk Braunschweig durch die DAF;
-Gründung der „Stadt des KdF-Wagens“ gegen den Widerstand vor allem der Großgrundbesitzer (die zum Verkauf ihres Eigentums gepreßt wurden), gegen die Bedenken der zuständigen Verwaltungen und gegen die Querelen verschiedener, um Kompetenzen rangelnder Partei- und Regierungsstellen: mit dem Führerbefehl vom 17. Januar 1938 wurden die Standorte von Werk und Stadt endgültig festgelegt;
Nach Hitlers Vorstellung sollte „eine vorbildliche deutsche Arbeiterstadt entstehen. Sie soll eine Lehrstätte sowohl der Stadtbaukunst wie der sozialen Siedlung werden. Wir wollen damit zeigen, wie der Nationalsozialismus solche Probleme sieht, wie er sie anpackt und wie er sie löst“ (Hitler bei der Grundsteinlegung am 26. Mai 1938). Eine nationalsozialistische Musterstadt im Sinne Hitlers ist die „Stadt des KdF-Wagens“ nicht geworden, in der Tat aber ein Beispiel dafür, „wie der Nationalsozialismus solche Probleme... anpackt und wie er sie löst“.
Ab 1940 wurden zunehmend ausländische Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in der Produktion eingesetzt. Die Stadt wurde zur Barackenstadt, zum Gefangenenlager. 1945 waren von den circa 17.000 „Bewohnern“ mehr als die Hälfte Ausländer.
Die Volkswagen AG will aus der Vergangenheit lernen. Daß sie den Historiker Hans Mommsen mit der Untersuchung der Entstehungsgeschichte des Werkes beauftragt hat, zeigt, daß sie zumindest aus der Gegenwart gelernt hat. Von Mommsen nämlich ist eine solche Vertuschungsstudie, wie sie sich die Daimler-Benz AG 1986 von der „Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.“ hat liefern lassen, nicht zu erwarten. Zumindest hierzu herzlichen Glückwunsch.Thomas Krämer-Badoni
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