Die Schmuddelgäste der Kieler Woche

■ Weil das Kieler Stadtparlament die Gefangenen Ingrid Strobl und Ulla Penselin als Ehrengäste der Kieler Woche einlädt, tritt ein SPD-Oberbürgermeister in Streik, springt eine Stadtpräsidentin ein, ist e

Die Schmuddelgäste der Kieler Woche

Weil das Kieler Stadtparlament die Gefangenen Ingrid Strobl und Ulla Penselin als Ehrengäste der Kieler Woche einlädt, tritt ein SPD-Oberbürgermeister in Streik, springt eine

Stadtpräsidentin ein, ist ein Yacht-Club sauer und sucht ein Haftrichter nach einer Eskorte

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - 105mal ist sie konfliktlos durch alle politischen Wirren gesegelt. Kaiserzeit, zwei Weltkriege und Faschismus haben ihr nichts anhaben können und nun das! „Eine Provokation“ flucht der Oberbürgermeister(SPD), „eine Selbstverständlichkeit“ meint die Stadtpräsidentin (SPD), „eine Geschmacklosigkeit“ rümpft der Yacht-Club die Nase, „eine Geste“ erklären die Grünen. Eine peinliche Angelegenheit, diese Sache mit der diesjährigen Kieler Woche, bei der es nur nicht um Windstärken und Bootslängen geht, sondern auch um nichts Geringeres als die „Unschuld“ und die „Ehre“.

Die „Ehre“ nämlich, anläßlich der Riesensegelschau zu den wenigen auserkorenen Gästen der Stadt Kiel zu gehören, sollte in diesem Jahr den seit sechs Monaten inhaftierten Frauen Ingrid Strobl und Ulla Penselin zuteil werden. Die Grünen hatten sie als ihre beiden „special guests“ nominiert, die jede Ratsfraktion auf Kosten der Stadt einladen darf, und das auch begründet. Die beiden der Mitgliedschaft und der Unterstützung einer „Terroristischen Vereinigung“ Beschuldigten, seien als Journalistinnen und Opfer einer Medienkampagne doppelt prädestiniert, zum Leitthema der diesjährigen Kieler Woche „Medien Macht Meinungen“ Mitte Juni Stellung zu nehmen.

Das jedoch fand - die Peinlichkeit nahm ihren Lauf - der „Kieler Woche-Ausschuß“ gar nicht, und lehnte erstmals in der 106jährigen Geschichte der Segelschau eine Einladung ab. Das wiederum wollte der zuständige Parlamentsausschuß für kulturelle Angelegenheiten nicht so stehen lassen. Mit einer Mehrheit von SPD und Grünen beschloß, er diese Ablehnung aufzuheben und die Einladung zu vollziehen. Nun trat Kiels Oberbürgermeister Karl Heinz Luckhardt (SPD) in Aktion, indem er einfach nichts tat. „Keine Lust“, trotzte der OB und ließ seinen Federhalter streiken, der die notwendige Unterschrift unter die Einladungen hätte setzen müssen. Alle Beschlüsse städtischer Gremien hat der OB bisher korrekt ausgeführt, aber „die genannten Frauen“ - selbst die Namen Strobl/Penselin gehen dem OB nicht übers Papier - in „seine“ Stadt zu holen, das war ein Grund für Arbeitsverweigerung. Warum die „genannten Frauen“ Kiels nicht würdig sind, kann Sozialdemokrat Luckhardt nicht sagen, das verbiete allein „die Unschuldvermutung“. Die aber verbietet ihm noch lange nicht, sicher zu sein, daß „die Gästeliste der Stadt gewisse Maßstäbe zu berücksichtigen hat, denen die beiden von Ihnen genannten Frauen nicht gerecht werden“, Nur, leider, auch die „gewissen Maßstäbe“ kann der OB nicht nennen, denn die gibt es nicht, „weil wir schriftliche Kriterien bislang nicht entwickeln mußten, da es solche offensichtlich provokotavin Vorschläge nicht gegeben hat.“ In jedem Fall stelle die Einladung der beiden Frauen „eine unverantwortliche Belastung der Kieler Woche“ dar. Schließlich „muß man genau überlegen, wen man hierzu einlädt, schließlich orientieren sich daran auch die anderen Gäste.“

Das man das sehr wohl genau überlegt habe, konterte daraufhin Kiels Stadtpräsidentin Silke Reyer (SPD) und setzte ihrerseits um, was ihr Parteigenosse verweigerte. Mitte Mai schickte sie die Einladung an die beiden EhrengästInnen raus. Für Frau Reyer der selbstverständliche Vollzug eines parlamentarischen Beschlusses. „Bisher hat noch niemand den Fraktionen hineingeredet, wen sie einladen dürfen und wen nicht.“ Außerdem regt „diese doppelte Moral“ sie fürchterlich auf. „Bei Barschel haben alle vor einer Vorverurteilung gewarnt. Für mich gelten die beiden Frauen solange als unschuldig, wie sie nicht verurteilt sind.“

Der sozialdemokratische Zwist war perfekt, höchste Zeit für den renommierten Kieler Yachtclub, den Hauptveranstalter des Segelspektakels, sich einzuschalten. „Kinder, muß das sein?“ fragte man dort und entschied gleich selber: „Nein.“ „Wenn die beiden Damen kommen, passen unsere Gäste da nicht rein“, meint Club-Geschäftsführer Dr.Krumhof „das harmoniert nicht.“ Nach dem Motto meine Gäste/deine Gäste, schickte der Yacht-Club einen Warnbrief an seine Ehrengäste. Um nicht mit den „Damen“ - das Wort „Terroristin“ will man nicht in den Mund nehmen- in einen Topf geschmissen zu werden, sollen nun die sechs vom Segelclub geladenen Gäste nicht mehr Gäste der Stadt Kiel sein. Das erboste zwar die Stadt, aber immerhin hatte auch ihr Stadt-Oberhaupt auf die Frage, was er tun würde, wenn die beiden ungebetenen Gäste wider Erwarten neben ihm im Raum stünden und ihm die Hand drücken wollten, geantwortet: „Ich werde zu vermeiden suchen, daß es zu den von Ihnen beschriebenen Situationen kommt.“

Der OB kann froh sein. Inzwischen hat der Bundesgerichtshof dafür gesorgt, daß er weder fluchtartig den Notausgang aufsuchen muß noch die Hand in der Jackettasche verbuddeln muß. Wie von vornherein zu erwarten war, hat der Ermittlungsrichter in Karlsruhe den mit der Einladung verbundenen Ausführungsantrag für die beiden inhaftierten Frauen abgelehnt. Das Erscheinen in Kiel sei keine „dringende Angelegenheit persönlicher, geschäftlicher oder rechtlicher Art, die eine persönliche Anwesenheit erforderlich macht“, heißt es in einem Beschluß, der den AnwältInnen der beiden gestern zugestellt wurde. Mit einem öffentlichen Auftreten der beiden Inhaftierten sollten darüberhinaus nur die Ermittlungsbehörden unter Druck gesetzt werden. Und noch ein anderes Problem machte BGH -Richter Gerlach Sorge: „Man fragt sich natürlich, wie sollen die zur Kieler Woche kommen? Sollen wir denen eine Eskorte mitschicken?“ Nun, das wäre doch wirklich nicht zu viel verlangt für die Ehrengäste einer so wunderbaren Stadt wie Kiel.