NACH EUROPA UND ZURÜCK

■ Acok-Kindertheater aus Istanbul beim Spielplatz 88 - eigentlich ein Glücksfall

NACH EUROPA UND ZURÜCK

Acok-Kindertheater aus Istanbul beim Spielplatz '88

eigentlich ein Glücksfall

Die anatolische Gruppe Acok macht eigentlich wunderschönes Kindertheater. Es werden viele Lieder gesungen, bunte folkloristische Kostüme bringen Farbe auf die Bühne, und die Schauspieler agieren mit Lust und Können. Das Stück ist politisch bewußt und engagiert, dabei aber nicht angestrengt, ein wahrer Glücksfall, möchte man sagen. Dennoch lastet über der Kongreßhalle eine Wolke der Ödnis, gegen die die Schauspieler aber tapfer anspielen.

Denn bei aller Liebe zum Theater, am Montag morgen um 10 Uhr will einfach keine rechte Lust aufkommen. Die Kongreßhalle besitzt den diskreten Charme und die Unverbindlichkeit einer Mehrzweckhalle. Nasse Regenmäntel, leere Stellwände und der ernüchternde Geruch vergangener wissenschaftlicher Kongresse, etwa „Meeresbiologie, heute -gestern-übermorgen“ geben einen weder kindgemäßen noch animierenden Rahmen für Theater ab. Das Gastarbeiterstück „Nach Europa, nach Europa“ der Gruppe „Acok“ aus Istanbul leidet darunter. Ich kann kein Türkisch - worum es geht, habe ich einem Begleitheft zum „Spielplatz '88“ entnommen.

Zwei türkische Kinder werden von den Eltern bei deren Einreise in die BRD getrennt. Sie verstecken sich nun in der Marionettenkiste einer reisenden Theatergruppe und gelangen quasi als Kulturimport unbemerkt ins Land. Dort finden sie zwar ihre Eltern wieder, sollen aber von den deutschen Behörden aus dem Land gewiesen werden. Dramatische Szenen: Verängstigte Kinder, gejagt von Staatsdienern, die als unverzichtbare Ausrüstung neben der Schirmmütze den Schäferhund aus grauem Fell ans Bein gebunden haben. Der deutsche Polizist ist immer komplett; Herr und Hund. Hier wirkt die Gruppe Acok erfrischend direkt und eindeutig in der Wahl ihrer Mittel, wie auch bei der Beschreibung der deutschen Gastgeber; blonde Biertrinker, fette Ausbeuter. Wiedervereinigt kündigt die türkische Familie das GastarbeiterDasein in solch einem Land selbstbewußt auf. Auf der Fahrt in die Heimat singt man, von Pathos erfüllt, „Die Emigration nach Europa wurde von uns nicht gewollt“.

Als heikel erwies sich die etwas naive Vorstellung, über die gejagten Kinder im Stück die Schulklassen im Publikum (15jährige Deutsch-Türken) in den Schoß der heilen Familie zurückführen zu können. Statt dessen: ab geht's im Gänsemarsch - zu McRonalds.Susanne Raubold

Am Mo (19 Uhr), Di (17 Uhr) und Mi (10), spielt Acok „Eine Schule in Barbiana“.