Hamburger Ärztekammer empfiehlt Methadon

■ Überraschende Wende in der Hamburger Rauschgiftpolitik / Methadon-Einsatz nicht nur als Modellversuch wie in Nordrhein-Westfalen, sondern als Therapie für einen definierten Katalog von Fällen / Sch

Hamburger Ärztekammer empfiehlt Methadon

Überraschende Wende in der Hamburger Rauschgiftpolitik /

Methadon-Einsatz nicht nur als Modellversuch wie in

Nordrhein-Westfalen, sondern als Therapie für einen

definierten Katalog von Fällen / Schwachpunkt:

Betreuungsstellen / Bayern dagegen setzt auf Härte

Hamburg (taz) - Für Hamburger Drogenabhängige soll es in Kürze die Möglichkeit geben, sich „Methadon“ (bzw. das in der Bundesrepublik handelsübliche L-Polamidon) als Ausweichmittel verschreiben zu lassen. Mit dieser Empfehlung und einer bereits mit den zuständigen Behörden und der Staatsanwaltschaft abgestimmten Verfahrensweise überraschte die Hamburger Ärztekammer gestern die Öffentlichkeit. Bis vor kurzem hatten sich die Ärztekammervertreter noch als eingeschworene Methadongegner präsentiert. Jetzt ist in den Empfehlungen der Ärztekammer davon die Rede, daß der Einsatz von Methadon in bestimmten Fällen nicht nur „gerechtfertigt“, sondern sogar „notwendig“ und „geboten“ sei.

Damit geht das „Hamburger Modell“ noch einen Schritt weiter als das in Nordrhein-Westfalen bereits laufende Methadonprogramm. Denn die Hamburger Ärztekammer will die Vergabe von Methadon nicht als „Modellversuch“ verstanden wissen, der auf eine bestimmte Personenzahl begrenzt ist und einer wissenschaftlichen Auswertung bedarf, sondern als notwendiges therapeutisches Mittel für alle Fälle, in denen Überlebenshilfe kurzfristig wichtiger ist als das Ziel der Drogenfreiheit, oder eine Abstinenztherapie in absehbarer Zeit nicht in Frage kommt.

Die Liste der Indikationen, aufgrund derer Drogenabhängige über ihren Hausarzt einen Antrag auf „Legalisierung“ bei der Ärztekammer stellen können, ist dementsprechend breit gefächert. Chronische Erkrankungen und Schwangerschaft werden ebenso genannt wie „psychosoziale Indikation“, z.B. „erheblich gestörte Persönlichkeitsstrukturen“ oder „ausgesprochen destruktive Tendenzen“. Auffällig ist, daß in der 14seitigen Empfehlung das Thema HIV-Infektion nicht einmal genannt und auch nicht (wie in NRW) zur Vorbedingung für die Methadon-Verschreibung gemacht wird: Es geht hier offenbar um eine Wende in der Drogenpolitik, die nicht nur den Abhängigen als „Infektionsrisiko“ meint.

Wichtigster Stolperstein bei der Umsetzung der Ärztekammer -Empfehlung ist vorläufig der Mangel an psychosozialen Betreuungsangeboten, die als notwendige Begleitmaßnahme einer Methadon-Verschreibung angesehen werden. Schon jetzt sind die Drogenprojekte in Hamburg, die für diese Arbeit in Frage kämen, hoffnungslos überlastet. In Fachkreisen wird aber mit mehreren hundert Drogenabhängigen gerechnet, die in den nächsten Monaten einen Antrag auf Methadon-Substituierung stellen werden.Irene Stratenwerth Einsatzkommando „Rauschgift“

Nürnberg (taz) - Mit einem neuen Maßnahmenkatalog will Bayerns Staatssekretär Gauweiler jetzt der zunehmenden Drogenkriminalität im Freistaat Herr werden. Der Katalog wurde auf einer Sonderkonferenz mit dem Landeskriminalamt und allen bayerischen Polizeipräsidenten abgestimmt und sieht unter anderem Razzien in verstärktem Umfang und eine Ausweitung der verdeckten Ermittlungstätigkeiten vor. Zukünftig sollen Hinweise aus der „Szene“, die zur Sicherstellung eines Kilogramms Heroin führen, mit Belohnungen bis zu 10.000 Mark honoriert werden. Für Nordbayern wird in Nürnberg ein etwa 20 Mann starkes „Rauschgifteinsatzkommando Nord“ (REK-Nord) aufgestellt, das mit verdeckten Fahndungsmethoden arbeiten soll. Ein REK-Süd wurde bereits vor kurzem in München eingerichtet. Die REKs sollen gezielt auf V-Männer zurückgreifen. Wie Gauweiler auf einer Pressekonferenz am Montag in München erklärte, können ausländerrechtliche Möglichkeiten nun konsequenter ausgeschöpft werden. So sollen beispielsweise Ausländer, die an der Grenze mit Drogen angetroffen werden, ins Kölner Ausländermelderegister eingetragen werden. In der Folge gilt für sie dann ein „durchgehendes Einreiseverbot für die Bundesrepublik“.

Spielhallen und Discotheken, nach Gauweiler Treffpunkte des illegalen Rauschgifthandels, sollen künftig stärker als bisher von den Behörden überwacht werden. Rauschgifthändler müssen damit rechnen, daß ihnen sofort der Führerschein entzogen wird und ihre sichergestellten Fahrzeuge zur Zivilfahndung eingesetzt werden. Auf scharfe Kritik sind die Pläne bei der bayerischen SPD gestoßen. Der stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion, Karl-Heinz Müller, nannte die Maßnahmen eine „billige Effekthascherei ohne Problembekämpfung“. Dies sei ein „absolut falscher Weg in der Drogenbekämpfung“, sie erzeugten in Bayerns Schulen lediglich ein „Gestapo-Klima“. Wie beim Thema Aids mache Gauweiler die erfolgreiche Arbeit von Drogenberatungsstellen zunichte. Wolfgang Gast