Vom Tat- zum Gesinnungsstrafrecht

■ Wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach §129a stehen fünf junge Leute aus dem Raum Schwandorf vor Gericht / Grund: Abdruck des RAF-Sterns und ein kritischer Artikel in ihrer Anti-WAA-Ze

Vom Tat- zum Gesinnungsstrafrecht

Wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach §129a stehen fünf junge Leute aus dem Raum Schwandorf vor

Gericht / Grund: Abdruck des RAF-Sterns und ein kritischer Artikel in ihrer Anti-WAA-Zeitung

Von Luitgard Koch

München (taz) - Seit gestern stehen fünf junge Leute im Alter von 23 bis 26 aus dem Raum Schwandorf vor dem 3.Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts. Die fünf - alle in unmittelbarer Nähe des Baugeländes der „Oberpfälzer Atommüllfabrik“ aufgewachsen - sind angeklagt wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“. Grund: Zusammen gründeten sie das Blättchen 'Schwandner Allgemeine‘ und veröffentlichten in der Ausgabe vom Juli '86 einen Artikel mit der Überschrift „Einzelaktion oder RAF -Sommeroffensive“ und dem RAF-Stern daneben. Der Text setzt sich kritisch mit dem Anschlag auf den Siemens-Manager Karlheinz Beckurts auseinander und stellt unter anderem fest, daß sich die Auffassung verschiedener Experten, wonach die Zeiten der RAF vorbei seien, anscheinend als Irrtum erwiesen habe. Desweiteren wird die Vermutung geäußert, daß die RAF in ihrem Bekennerschreiben die WAA deshalb erwähnte, „um damit einen Bogen zur Anti-AKW-Volksbewegung zu schlagen“. Vier der Angeklagten waren beim Verteilen der Zeitschrift vor dem WAA-Bauzaun festgenommen worden.

Der Generalbundesanwaltschaft genügte der Text, um ein Ermittlungsverfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach §129a einzuleiten.

Doch die bayerische Staatsanwaltschaft, die im Auftrag der Bundesanwaltschaft im Februar '87 beim Bayerischen Obersten des Landesgericht Anklage erhob, hatte ausnahmsweise einmal Pech. Die Klage wurde zurückgewiesen, das Hauptverfahren nicht eröffnet. Die Richter waren nämlich der Meinung: „Eine solche Agitation im Rahmen der allgemeinen Meinungsäußerung muß hingenommen werden“. Doch die Strafverfolger ließen nicht locker. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob der Bundesgerichtshof im August '87 die Entscheidung auf.

Allein die Feststellung in dem Artikel, „die Zeiten der RAF seien noch nicht vorbei“, genügt dem BGH, um von Unterstützung zu sprechen. Auch ohne den Nachweis eines meßbaren Nutzens könne darin ein Unterstützen der Vereinigung gesehen werden. Seine Entscheidung begründet der BGH auch damit, daß durch den Artikel einer „Vielzahl von Menschen, die sich gegen staatliche und industrielle Planungen demonstrativ wendet, die Kampfmethoden einer terroristischen Vereinigung nahegebracht“ würden. Nach Ansicht der Verteidiger der Angeklagten zeigt dies exemplarisch, worum es geht, nämlich um die Einschränkung freier Meinungsäußerung mit den Mitteln des Strafrechts. „Es gilt, die ursprünglichen Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts als letzte Bastion im Kampf gegen den Übergang vom Tat-Strafrecht zum Gesinnungsstrafrecht zu halten“, fordern sie.

„Wir wollen nichts mit den Methoden der RAF zu tun haben“, erklärte gestern Peter E. (23), der Verfasser des Artikels, vor Gericht. Auch seine Freunde distanzierten sich eindeutig von der RAF-Linie. Immer wieder betonten sie, daß ihnen die Auseinandersetzung von außen aufgezwungen worden sei. Zum einen durch die Erwähnung des WAA-Widerstands im Bekennerbrief zum Beckurts-Anschlag, zum anderen durch die Politiker, die versuchten, WAA-Gegner in RAF-Nähe zu rücken. Das Thema sollte, so die Angeklagten, aber angesprochen und nicht einfach als Tabu behandelt werden. Die Verhandlung wird heute fortgesetzt.