Landgewinnung

■ Wenn die Polizei auf die Zwerge losginge

Landgewinnung

Wenn die Polizei auf die Zwerge losginge

Als Karl Kreszke (der Name ist aus verständlichen Gründen fiktiv) sich endlich zur Tat durchgerungen hatte, da war das gute, große, grüne Dreieck natürlich schon weg. Im zwölften Jahr wartet er nunmehr vergebens auf die Zuteilung einer Parzelle, und, das kann einen Kleingärtner schon zum militanten Widerstand treiben, ein Plätzchen im Tiergarten, wenn auch nicht ganz rechtmäßig, das hätte ihm gut gefallen.

Er sah es schon vor sich, das Eingangsportal der zukünftigen Siedlung: Kolonie „Lenne-Wiesen“ oder so ähnlich. Nun ist ein Zaun drum, und als guter Kleingärtner weiß er einen Zaun zu respektieren, will schließlich keinen Streit, mit welchem Co-Kolonisten auch immer. Der Neuköllner Lohmühlenzwickel kommt, das war nach einer Besichtigung sofort klar, nicht in Frage, nur Sand und Pflaster, und dann, das winzige Dreieck, rechtsfreier Raum hin, linksfreier Raum her - kein Platz für Co-Kolonisten. Und Gemeinschaft, das ist Karls Ein und Alles, ohne Verein fühlt er sich allein. Aber die jungen Leute auf der Lenne-Wiese, denen fehlt's am kleingärtnerischen Know-how, sagt Franz, die sind das Gelände wieder los, bevor sie es parzelliert haben. Da muß man Fakten schaffen, sagt Franz, Wege, Grenzen, Gemüsebeete und Rasenflächen.

Wenn erstmal die Gartenzwerge stehen, dann hat man ja praktisch die ganzen Kleingärtner hinter sich, und wenn die Polizei dann mit Schlagstöcken auf die Zwerge losgeht, da ist ja wohl alles klar, wie das in den Augen der Öffentlichkeit wirkt. Franz bekommt Tränen in die Augen, das Bild der Gartenzwerge verschwimmt, und er sieht wieder die Trostlosigkeit des Lohmühlenzwickels um sich. In seiner Verzweiflung hatte er ihn am Montag doch noch schnell besetzt. Nach dem Interview gab er die Besetzung auf, es regnete. Eine Szene von unendlicher Trauer, als er mit seinem Klappgartenzwerg unter dem Arm davonging, eine Trauer, die auch den Reporter nicht unbeeindruckt ließ.Jürgen Witte