ENGEL ZWISCHEN LICHT UND SCHATTEN

■ Wiederaufführung von "Angel Face"

ENGEL ZWISCHEN

LICHT UND SCHATTEN

Wiederaufführung von „Angel Face“

Engel hat es im Kino viele gegeben. Engel kommen bekanntlich aus einer anderen Welt und sind dazu geschaffen, das Leben normaler Erdenbürgr aus dem Gleichgewicht zu bringen. Engeln traut man zunächst einmal nur Gutes zu, ist erfreut über die unverhoffte Gnade, die einem zuteil wird. Umso größer ist die Enttäuschung, wenn sich herausstellt, daß sich unter der undurchschaubaren Maske des Engelsgesichts etwas ganz anderes verbirgt.

„Eins habe ich im Leben gelernt: Niemals der harmlose Dritte zu sein, denn dem geht's dreckig.“ Am Ende des Films weiß der Zuschauer, daß Robert Mitchum sich irrte. In kaum einer seiner zahllosen Film-noir-Rollen war er träger und willenloser als in dem 1953 von Otto Preminger gedrehten „Angel face“, nie war er mehr als hier Spielball einer schönen Frau, die ihn schließlich mit in den Abgrund reißt. Der ehemalige Rennfahrer, der von einer eigenen Autowerkstatt träumt, trifft auf die reiche Tochter aus gutem Hause und ist sofort verloren. Wie so vielen Träumern fehlt es auch ihm an Antriebskraft, er handelt nicht, sondern zappelt an den von Jean Simmons gehaltenen Fäden. Wenn er noch meint, einem Engel begegnet zu sein, ist er längst in ihr Intrigennetz eingesponnen, ist sein Traum zum Alptraum geworden. Auch nach dem bitteren Erwachen wird er nicht aktiv, er läßt seine Verlobte mit einem anderen gehen und heiratet Jean Simmons, obwohl er mit ihr fertig ist.

Zweimal nur handelt Robert Mitchum eigenständig. Am Anfang des Films gibt er Jean Simmons eine Ohrfeige, um ihr hysterisches Schreien zu beenden. Sie schlägt zurück, und jeder - ausgenommen Mitchum selbst - weiß, was sie noch alles mit ihm anstellen wird. Dann, zum Ende hin, entscheidet er sich, sie endgültig zu verlassen. Aber wie Jane Greer einige Jahre zuvor in „Out of the past“ läßt auch Jean Simmons ihn nicht gehen, sondern nimmt ihn mit in den Tod, die einzige gemeinsame Zukunft, die ihnen bleibt.

Regisseur Otto Preminger, der dem Film noir einige seiner interessantesten Frauenbilder gab, inszenierte das Engelsgesicht Jean Simmons als äußerst ambivalentes Wesen zwischen Licht und Schatten, als Unschuldslamm mit bösen Absichten. Die sich naiv gebende, ihren Vater abgöttisch Liebende ist andererseits zu Mord und Totschlag fähig, ohne auch nur mit den schönen Wimpern zu zucken.

In einer langen, ruhigen Sequenz läuft sie durch das leere Haus und sucht nach den Spuren ihres unbeabsichtigt ermordeten Vaters. Alles ist rückwärts gewandt, die Gegenstände, die sie berührt, verweisen auf den Vater und die Vergangenheit. Gegenwart oder gar Zukunft gibt es nicht für Jean Simmons. Ihr Gesicht ist nun wieder das eines traurigen, alleingelassenen Kindes, das Angst vor der Einsamkeit und Dunkelheit der Nacht hat. Und es ist das Gesicht eines Engels, der sich in dieser Welt nicht zurechtfindet.Klaus-Peter Koch

„Angel face“ läft ab Donnerstag täglich im Broadway B.