Marx-Kurse an sich nicht emanzipatorisch

■ Anläßlich der Querelen um die FU-Vizepräsidentenwahl und der dubiosen Rolle der AL- Undogmatischen sprach die taz mit zwei Vertretern der linken AL-Mehrheit über Zustand und Visionen alternativer

„Marx-Kurse an sich nicht emanzipatorisch“

Anläßlich der Querelen um die FU-Vizepräsidentenwahl und der dubiosen Rolle der AL-„Undogmatischen“ sprach die taz

mit zwei Vertretern der linken AL-Mehrheit über Zustand und Visionen alternativer Hochschulpolitik

Nach der Wahl der Vizepräsidenten ist endgültig die Bahn frei für die zweite Amtszeit des rechten FU-Präsidenten Heckelmann. AL-Realos in den Uni-Gremien haben dazu ihr Schärflein beigetragen (taz berichtete am 19.5.). Wie verhält sich die neue linke Mehrheit innerhalb der AL-Gruppe an der FU und welche Vorstellungen von Hochschulpolitik hat sie? Ein Interview mit „StuPa-König“ Thomas Moritz und Fachschaftsreferent Carsten von Wissel (beide AL).

taz: Die AL an der FU steht in dem Ruf, mit Heckelmann zusammenzuarbeiten...

Thomas Moritz: Das ist schlichtweg falsch. Es sind einige Leute, die für die AL noch in den Gremien sitzen, die mit Heckelmann irgendwie mauscheln. Diese Leute haben mit dem AL -Plenum eigentlich nichts zu tun, sie kommen nicht mehr, und wenn, dann höchstens, um zu sagen, daß sie sich nicht mandatieren lassen. Sie sind nur noch deswegen in den Gremien, weil die Gremien halt vor zwei Jahren gewählt wurden und damals die Mehrheitsverhältnisse in der AL noch anders waren. Aber kein AL-Vertreter in den Gremien hat Heckelmann gewählt. Nur diese Liste „Undogmatischer Mittelbau“ in der AL hat nach der Wahl Heckelmanns Mauscheleien darüber geführt, daß zwei sogenannte linke Vizepräsidenten wieder dieses „Integrationsmodell“ gewährleisten können.

Wie steht Ihr zu einer einheitlichen linken Opposition aus ÖTV und AL in den FU-Gremien?

Moritz: Großartig. Abgesehen davon, daß man diese Gremien vergessen kann, weil sie im Prinzip nichts zu sagen haben und nur Mängelverwaltungspolitik betreiben.

Wie stellt Ihr Euch denn Opposition an der FU vor?

Carsten v. Wissel: Ich würde sagen, wir machen nicht Hochschulpolitik, sondern Politik an der Hochschule. Das heißt, daß wir auch zu intervenieren versuchen, aber nicht hauptsächlich über die Gremien.

Moritz: Also konkret kann Uni-Politik nicht das gesellschaftliche Umfeld ausblenden. An der Uni ist etwa Antifaschismusarbeit und Internationalismusarbeit genauso nötig wie in der Stadt. Hochschulpolitik ist für uns StudentInnenpolitik, die Uni gehört den Studenten...

Aber das ist ja eine allgemeine Blase. Es stimmt ja nicht, die Uni gehört doch ganz anderen Mächten.

Moritz: Ja, die Herrschaftsverhältnisse sind so, daß den Studis klar gemacht wird, daß sie sich nur innerhalb eines Apparates funktional bewegen können und sollen. Genau das gilt es zu durchbrechen.

Wie?

Moritz: So ein Teil wie Universität wird in dem Moment nicht mehr funktionieren können, wo einige tausend Leute bewußt damit umzugehen lernen, daß an der Universität diejenigen Ansprüche, die sie eigentlich an Bildung und Selbstentfaltung haben, nicht erfüllt werden und nicht erfüllt werden können. Wo 'ne ganz fundamentale Institutionskritik in eine breite praktische Verweigerungshaltung umgesetzt wird.

Was heißt das konkret im Hochschulalltag - Gremien links bzw. rechts liegen lassen?

Moritz: Das heißt es nicht. Das heißt nur, daß die Gremien in unserem Politikansatz relativ unwichtig sind. Wesentlich wichtiger sind solche Ansätze wie z.B. autonome Seminare, wo konkrete Gegenentwürfe, wie die Uni anders aussehen kann, gegen herrschende Universitätspraxis gestellt werden kann.

v. Wissel: Das heißt auch, daß wir es für eine Illusion halten, daß irgendwelche Inhalte, die wir haben, sich an den Unis durchsetzten, wenn einfach nur die Gremien links wären.

Die Gremien sind ja ein Vehikel, um eine Demokratisierung an den Hochschulen zu erreichen und damit auch Spielräume zu erobern. Habt Ihr die Ambition aufgegeben, die Hochschulstrukturen für Euch soweit es geht zu nutzen?

Moritz: Haben wir nicht. Wir machen ja weiterhin Gremienpolitik. Aber an der Frage ist zweierlei falsch. Das eine: Über die Gremien lassen sich keine Spielräume erreichen. Marx-Kurse, die 67/68 erkämpft und institutionalisiert werden konnten, sind an sich nichts Emanzipatorisches. Sie bringen nur dann den Leuten was, wenn das theoretische Interesse aus einer entsprechenden praktischen Fragestellung hervorgeht und hinterher wieder in allgemeine Lebenspraxis und Kollektivität zurücklaufen kann. Das zweite ist: Eine Demokratisierung der Uni kann ebenfalls nicht über die Gremien erreicht werden. Die sogenannten „demokratischen Verhältnisse“ an der Universität werden vorgeschrieben vom Gesetzgeber. Bestenfalls erreichen die Gremien die Festschreibung des status quo. Aber was davon dann übrig bleibt, sind Naturwissenschaften, die auf die Vernichtung des Menschen hin angelegt sind, und Geisteswissenschaften als Beherrschungstechnologien.

Die Idee der Hochschulreform von 68/69 war ja, über Gruppenmitbestimmung eine Demokratisierung durchzusetzen. Habt Ihr denn die Vision einer neuen Demokratisierung?

Moritz: Die Vision ist eigentlich immer noch die alte. Was wir fordern können, ist Viertelparität, politisches Mandat für die Studentenschaft und daß die Studenten in den Seminaren über ihre Inhalte bestimmen und festlegen können, ob und für welche Leistungen es welche Scheine gibt. Das Problem ist, daß diese Vorstellungen absolut unrealistisch sind, wenn man sie nicht mit einem kämpferischen Einsatz außerhalb der Gremien mit einer neuen Studentenbewegung versucht durchzusetzen.Interview: Winfried Sträter.