In den Knast abgeschoben

■ Eine in der Haft erkrankte Frau aus Sierra Leone sitzt seit knapp 16 Wochen wegen angeblicher Scheinehe in Plötzensee / Abschiebehaft abermals verlängert

In den Knast abgeschoben

Eine in der Haft erkrankte Frau aus Sierra Leone sitzt seit knapp 16 Wochen wegen angeblicher Scheinehe in Plötzensee / Abschiebehaft abermals verlängert

Zum zweiten Mal sagte Staatssekretär Müllenbrock gestern vor dem Ausländerausschuß Abhilfe gegen die überlange Abschiebehaft von Agnes T. aus Sierra Leone zu. Obwohl die Haft der Afrikanerin jetzt sogar bis zum 1. Juli (insgesamt 20 Wochen) verlängert wurde, versprach Müllenbrock, daß noch in dieser Woche eine Entscheidung getroffen wird. Sollte es nicht möglich sein, ihr bis dahin einen Paß auszustellen, werde sie unter Umständen aus dem Gefängnis Plötzensee entlassen.

Die Innenverwaltung bezichtigt Agnes T. der Scheinehe mit einem Deutschen. Weil sie jedoch ihren Paß verloren hatte, konnte sie nicht sofort abgeschoben werden. Seit Wochen wartet sie auf einen neuen Paß aus Sierra Leone.

Bereits Anfang Mai kritisierten alle Fraktionen ihre überlange Haft. Bisher hat sich jedoch nichts getan. „Wir würden Frau T. lieber heute als morgen abschieben“, sagt Pressesprecher Birkenbeul. „Aber das einzige was wir tun können, ist Warten auf den neuen Paß.“

Infolge der Haft wurde Agnes T. krank. Sie leidet seitdem an Hautausschlägen sowie einer Entzündung am Fußgelenk. Der behandelnde Arzt wollte sie nur operieren, wenn sie einen HIV-Test macht. Das lehnte Agnes T. jedoch ab und wurde deshalb auch nicht operiert.

Wegen der Krankheit und weil darüber hinaus keine Fluchtgefahr bestehe, fordern die SPD und die AL erneut, daß die Frau, die überdies kein Unrecht begangen hat, unverzüglich aus der Haft entlassen wird.

Rechtsanwalt Klemm ist sogar der Ansicht, daß die Abschiebehaft der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes widerspricht. Danach ist die Abschiebehaft nicht schon dann erforderlich, „wenn sich der Ausländer weigert, freiwillig auszureisen“. Abschiebehaft darf - so der Bundesgerichtshof

-nur angeordnet werden, wenn der betreffende Ausländer die Abschiebung aller Wahrscheinlichkeit nach vereiteln wird, indem er etwa „untertaucht“. Diese Annahme muß sich aber „auf konkrete Umstände stützen“.

Die „konkreten Umstände“ sehen Gerichte und Innenverwaltung unter anderem darin, daß Agnes T. einen Großteil ihrer Ehe in der Wohnung ihres Onkels verbracht hat und nicht bei ihrem Ehemann, unter dessen Adresse sie polizeilich gemeldet ist. Aber gerade diese Tatsache, die von Agnes T. auch gar nicht bestritten wird, werten SPD und AL als Beweis, daß keine Fluchtgefahr bestehe. Denn es gebe schließlich insgesamt nur zwei Adressen, bei denen Agnes T. anzutreffen sei.

Kein Abschiebestopp

Einen AL-Antrag für einen generellen Abschiebestopp in den Libanon lehnten gestern die Koalitionsfraktionen im Ausländerausschuß ab. Ein erneuter Vorstoß der Opposition zugunsten des Kommunalen Wahlrechts scheiterte ebenfalls mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen.E.K.