"Der Zuchtmeister ist unentbehrlich"

■ Gespräch mit Hamburgs Erstem Bürgermeister, Henning Voscherau

I N T E R V I E W „Der Zuchtmeister ist unentbehrlich“

Gespräch mit Hamburgs Erstem Bürgermeister, Henning

Voscherau

taz: Der Königsmacher Voscherau ist jetzt König, Glückwunsch. Aber: Geht das gut?

Voscherau: Der Begriff ist nicht richtig, ich bin ein zutiefst republikanischer Mensch. Im übrigen habe ich nie Könige gemacht, auch Bürgermeister nicht.

Jetzt sind Sie es. Was qualifiziert Sie eigentlich für diesen Job?

Da fragen Sie mal die, die mich gewählt haben.

Eine Ihrer Stärken war, wie Jan Ehlers es ausdrückt, das Organisieren des rechten Lagers.

Zum Organisieren eines Flügels gehört nicht viel. Meine Wahl resultiert mehr aus den Erfolgen als Fraktionschef. Da ist viel an Integration geschaffen worden. Das Problem Hafenstraße etwa hätte die Fraktion 1984 zerrissen.

An einem der Hafenstraßen-Häuser steht der Satz: Hier wohnen die Freunde des Bürgermeisters. Kommt Voscheraus Antrittsbesuch?

Damit ist nicht zu rechnen.

Wir haben den Eindruck, daß bei Ihnen Machtkonzentration vor Inhalten kommt - „Kanzleramtsministerin“ Kiausch statt Frauensenatorin.

Nein. Wenn ich die Kompetenz hätte, Senatsmitglieder zu ernennen, gäbe es eine Frauensenatorin. Da war die FDP vor.

Eine Frage der Prioritäten...

Ich habe eine Zuständigkeit verändert. Eine einzelne Person, der Erste Bürgermeister, ist so stark überlastet nicht überfordert -, daß man zu einer kompetenten und loyalen Arbeitsteilung kommen muß. Auch im Interesse der Frauen.

SPD-geographisch von Brandt-Enkeln umstellt, mutet ein Schmidt-Enkel anachronistisch an.

Anachronismus gegenüber historischen Persönlichkeiten gibt es nicht.

Es geht Brandt-Enkeln darum, wieder Reformpolitik zu machen. Das Ende der Schmidt-Ära ist bekannt...

Freimut Duve hat mich immerhin als „Großneffe von Brandt“ akzeptiert. Außerdem: Die Zahl der Brandt-Enkel ist so groß, daß ein einzelner Schmidt-Enkel die Belastbarkeit der Partei nicht gefährdet. Ich will auch Wehner nicht vergessen. Dessen disziplinierte Zuchtmeisterrolle ist zwar nach innen unbequem, aber unentbehrlich. So einen braucht man auch.

Dohnanyi ist jetzt der Auffassung, daß Rechtsbruch ab und an die Gesellschaft voran bringt. Und Sie?

Ich teile die Auffassung Brandts, der vor dem Mißbrauch des Wortes „Widerstand“ unter demokratischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen gewarnt hat. Meine Position: Ein Staat, der nicht gewillt ist, seine selbst aufgestellten Regeln durchzusetzen, soll auf die Aufstellung der Regel verzichten. Wenn er sie aufstellt, muß er sie durchsetzen.

Interview: Axel Kintzinger/ Florian Marten