Wenn der Herr Kohl erzählt...

Wenn der Herr Kohl erzählt...

Wenn der Herr Bundeskanzler eine Pressekonferenz abhält, braucht er kein Thema: Er nimmt zu „aktuellen Fragen“ Stellung und alle, alle Redaktionen schicken ihre eifrigsten Korrespondenten. Und wenn Kohl dann den Mund aufmacht fragt sich jeder: warum eigentlich? Weil Donnerstag ist, werden 'Stern‘ und 'Zeit‘ ausgepackt. Weil neun Kamerateams durch die Reihen streifen, verbirgt man das Gähnen galant hinter vorgehaltener Hand. Nur der Kanzler will partout nicht ermüden. Der Höhepunkt seines Auftritts steht schließlich noch bevor: Journalisten-Fragen - ich schweife ab. Wie denn der Herr Bundeskanzler den aktuellen Gorbatschow-Kurs...? „Wie Sie wissen, bin ich nicht Mitglied im Polit-Büro in Moskau.“ Na Marx sei Dank. Und ob die BRD die UdSSR nicht mit einem neuen Wirtschaftsabkommen unterstützen wolle? „Die Sowjetunion ist ein großes und wichtiges Land mit einem eigenen Selbstverständnis.“ Aha, soso! Aber leider auch mit einer eigenen Armee - und die macht dem Bundeskanzler nach wie vor, auch ohne daß er danach gefragt wird, große Sorgen: „Sie wissen ja meine Herren, Waffen sind ihrer Natur nach nicht böse, aber der Geist, der die Waffen bewegt kann böse sein.“ Wenn Herr Kohl erzählt, bleibt einem nur ein Trost: Mit Regierungssprecher Ost als Bundeskanzler wäre Politik noch langweiliger.Oliver Tolmein