Stoltenberg fordert: mehr rauchen und rasen

■ Koalition: Verbrauchssteuererhöhung / Alle bluten für die Staatskasse / Mehr Arbeitslosenbeiträge - weniger Leistung / Albrecht-Plan abgeschmettert

Stoltenberg fordert:

mehr rauchen und rasen

Koalition: Verbrauchssteuererhöhung / Alle bluten für die

Staatskasse / Mehr Arbeitslosenbeiträge - weniger Leistung / Albrecht-Plan abgeschmettert

Von Georgia Tornow

Berlin (taz) - Die Katze ist aus dem Sack: die schon länger erwartete Erhöhung der Verbrauchsteuern wird vor allem Benzin um neun auf 57 Pfennig je Liter (bleifrei) und um 12 auf 65 Pfennig (verbleit), Diesel wie bei verbleitem Benzin, leichtes Heizöl auf 5,66 Pfenbnig je Liter und Tabak auf über zehn Pfennig je Zigarette verteuren. Die Erhöhung dieser indirekten Steuern soll schon im nächsten Jahr rund sechs Milliarden Mark aus den Portemonnaies aller BundesbürgerInnen in den Staatssäckel des Finanzministers fließen lassen. 1991 soll dann ein zweiter Erhöhungsschub folgen, um dem Staat noch einmal anderthalb Milliarden Mark einzubringen.

Nach Erklärungen von Bundesfinanzminister Stoltenberg sollen die ersten Erhöhungen bereits zum 1. Januar des kommenden Jahres in Kraft treten. Steuerpolitisch funktioniert die Bundesrepublik damit nach dem Motto „überholen ohne einzuholen“. Die erst nach den Steuererklärungen für die Einkommen 1988 zu erwartenden und sowieso für die meisten BürgerInnen geringen Entlastungen aus der Steuerreform kassiert der Staat damit gleichzeitig - wenn nicht sogar früher - als Verbrauchssteuern wieder ein. Fortsetzung auf Seite 2

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Steuer...

In einer Nachtsitzung hatten sich zwischen Donnerstag und Freitag Spitzenpolitiker der Regierungskoalition auf diese Nachbesserungsmaßnahmen zur Stoltenbergschen Haushaltspolitik geeinigt. Da die Koalition das schon bestehende Haushaltsdefizit von an die 50 Milliarden Mark eisern herunterspielt, wird die vergleichsweise geringe Summe von an die sechs Milliarden Mark Mehrbelastungen durch die EG ab 1990 zur Ursache der Maßnahmen erklärt.

Neben der Verbrauchssteuererhöhung beschloß die Koalitionsrunde die Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um einen halben Prozentpunkt bei gleichzeitiger Kürzung der Leistungen. Gekürzt wird vor allem für jugendliche ArbeitnehmerInnen: Erwerbslose bis zu 20 Jahren sollen nur sechs Monate, 20- bis 25jährige neun Monate Unterstützung beziehen. Daneben soll durch Ausgabenkürzungen ein drohendes Defizit der Bundesanstalt für Arbeit vermieden werden.

Abgeschmettert wurde der strukturpolitische Vorschlag des niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, die Sozialhilfekosten der Geminden auf den Bund umzuverteilen.

Die mit den angekündigten Steuererhöhungen offensichtliche steuer- und haushaltspolitische Konzeptionslosigkeit hat nichts destoweniger Methode: den Einzelmaßnahmen ist die Tendenz gemein, breit gestreut Geld zu holen und so möglichst wenig Widerstand zu mobilisieren.

An der Autofrage ist dagegen die Rechnung nicht aufgegangen: Zur bereits im Vorfeld bekannten Kritik des Verbandes der deutschen Automobilindustrie an einer Erhöhung der Mineralölsteuer reihen sich nun auch mit der Begründung einer arbeitsnehmerfeindlichen Regelung der IG Metall -Vorsitzende Franz Steinkühler und als Interessenverband der Autofahrer der ADAC in die Kritiker-Front ein. Allein die Grünen wiesen daraufhin, daß wieder einmal die Chance verpaßt wurde, Umweltpolitik zu machen.