POLITISCHES LIED

■ Voll Solidarisch durchs Wochenende

POLITISCHES LIED

Voll Solidarisch durchs Wochenende

Im EX verteilte man am Freitag vor Konzertbeginn Deeskalations-Flugblätter: Punkrock hören, Spaß haben, Toleranz üben - alles andere ist Quark. So ähnlich der Tenor des kopierten Schreibens, welches die Welt in zwei Hälften teilte: Punkrocker/innen; Konzertbesucher/innen.

Die Punkrocker standen den Großteil des Abends in Reichweite der Dönerbude ab, die Konzertbesucher standen auch meistens draußen, weil die Boskops einfach nicht zu ertragen waren. Diese Un-Band hat auch noch für einen internen Eklat im EX gesorgt: sexistische Texte. Ob man die überhaupt spielen lassen dürfe?

Was für eine Frage! Ganz am Rande von Sexismus, der richtigen Ideologie etc. gibt es noch so etwas wie Musikgeschmack. Und der alleine hätte tausendmal gereicht, die Boskops rauszuwerfen...

In der Alten TU-Mensa sollte an diesem Abend für den Kampf (in Nicaragua) getanzt werden. Sind so wenig Beine: etwa hundert Menschen pro Schicht (sie wechselten alle zwei Stunden) trollten sich in der leeren Halle. Das kommt nur, weil die Veranstalter wieder nicht aufgepaßt haben: gerade vor einer Woche war doch hier das große Vobo-Soli-Ding, und

-wie man mir erklärte - es geht eben keiner innerhalb von so kurzer Zeit auf zwei 'Solis‘.

Das erscheint logisch, einerseits, denn mehr als eine dieser Veranstaltungen pro Monat ist nicht zu ertragen. Andererseits: wieso könnte man nicht einfach ein Konto einrichten, auf das man sechs Mark Eintrittsgebühr überweist, sich das Konzert erspart und die 'Knete‘ direkt in die richtigen Kanäle geleitet wird? Man könnte dann auch noch Kärtchen verschicken, auf denen steht: „Du hast heute ein Solidaritätskonzert für ...... bitte ausfül len) mit den Bands Olaf und die Untermieter / Die Schwestern / Gesellig wie die Lemminge / Jingo de Lunch / Deseaster Area / Rattlesnake Men (Betreffende bitte ankreuzen) nicht gesehen. Glück gehabt. Deine 6 Mark gehen nach Abzug der Unkosten direkt nach Nicaragua / EA / Vobo-Ini / El Salvador / Kubat -Dreieck ......(bitte ankreuzen).

Am Samstag war Straßenfest am Fraenkelufer. Ratet mal, wer da gespielt hat....

Alle waren wieder ganz begeistert von „Gesellig wie die Lemminge“, auch die, die sie schon 15 Stunden vorher (wg.Nicaragua) gesehen hatten. Überhaupt ein Phänomen, diese Kapelle. Nichts, absolut nichts hebt sie aus dem tanzbaren Mittelmaß heraus. Nicht die zwischen gedrückt und geschrien modulierte Stimme der Sängerin, das simple Saxophon oder der rhythmische Rest - nichts ist sonderlich faszinierend an diesem musikalischen Solidaritätskommando.

Und dennoch räumen sie bei all diesen Veranstaltungen völlig ab, versetzen stachlige Männerbeine in ekstatische Zuckungen und verwandeln Frauenkörper in Beschwörungs-Kreisel.

Also ich als Band würde mir gelegentlich mal ein anderes Publikum wünschen - bei denen hätte ich doch zu sehr das Gefühl, daß sie nur froh sind, auf einem 'Soli‘ wenigstens hörbare Musik zu erwischen. Der anschließende Percussions -Trupp bunt uniformierter Hippies hat sich angehört wie der Fanfarenzug der Freiwilligen Feuerwehr, und stoisch waren sie wie Wasserbüffel. Auf der Haß-Skala noch zehn Punkte vor den Müllmännern... rah!