Die Gefährdung des Hausfriedens bei Adler

■ Unterstützung der streikenden Südkoreanerinnen durch Flugblätter hält Freiburger Richter nicht für gerechtfertigt: Geldbuße

Die Gefährdung des Hausfriedens bei Adler

Unterstützung der streikenden Südkoreanerinnen durch

Flugblätter hält Freiburger Richter nicht für

gerechtfertigt: Geldbuße

Dumping-Preise erobern die Einkaufsstraßen. Solange der Vorrat reicht, gibt's Hosen für einen Zehner und T-Shirts schon ab zwei Mark, made in „somewhere“. Gekauft wird gleich im Zehnerpack. Wer aber die Konsumfreude der Massen stört und statt dessen über die ausbeuterischen und unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den produzierenden Dritte-Welt-Ländern aufklären will, kann vor den Kadi zitiert werden. So geschah es dieser Tage in Freiburg.

Eine Gruppe von etwa 50 Frauen war im Mai vergangenen Jahres zur Freiburger Niederlassung des Adler -Bekleidungszentrums aufgebrochen, um vor Ort den verbotenen Streik der südkoreanischen Adler-Arbeiterinnen zu unterstützen. In den Verkaufshallen verteilten die Frauen Flugblätter an Verkäuferinnen und Kundinnen und verlasen den Flugblatt-Text per Megaphon. Weil die Freiburger Frauen den verbalen Rausschmiß des Hausherrn ignorierten, holte der die Polizei. Das Delikt: Hausfriedensbruch.

„Gibt es bei Adler einen Hausfrieden, den frau stören könnte?“ Der als Zeuge geladene Adler-Filialleiter wurde zunehmend nervöser. Hilfesuchend wandte er sich dem Amtsrichter zu, der ihn sogleich vor der mißlichen Antwort bewahrte: Betriebs-Internas müsse er hier nicht preisgeben. Die Antwort blieb der Zeuge den beiden fragenden angeklagten Frauen schuldig.

Allerdings ließ er sich bei der nächsten Frage zu einer spontanen Antwort hinreißen. Die Angeklagten: „Wie lange bleiben die Arbeiterinnen bei Adler?“ Der Filialleiter: „Solange es ihnen Spaß macht.“ Ein Raunen ging durch den Saal, denn zuvor hatten die beiden Frauen ausführlich berichtet, unter welchen Bedingungen die südkoreanischen Frauen arbeiten müssen: Die etwa 1.300 Arbeiterinnen in den 30 Adler-Niederlassungen in Südkorea arbeiten zwölf Stunden am Tag bei 40 Grad Celsius, werden mit 40 bis 80 Pfennig Stundenlohn weit unter dem Mindestlohn abgespeist, dürfen nicht streiken, sind permanenten Arbeitszeitkontrollen ausgesetzt und im Alter von 25 Jahren „verbraucht“. Dann werden sie auf die Straße gesetzt, wo sie sich oft genug als Prostituierte verdingen müssen.

Wie wenig den Richter Motivation und Zielsetzung der politischen Aktion der Frauen interessierten, wurde schon bei der Verhandlungsführung, nicht zuletzt aber bei der Strafzumessung deutlich: Die zwei arbeitslosen und studierenden Frauen wurden zu 400 und 300 Mark Geldstrafe verurteilt (Eine dritte Teilnehmerin an der Flugblattaktion war schon vorher zu 150 Mark Geldstrafe - ebenfalls wegen Hausfriedensbruch verurteilt worden).

„Das bei 600 Mark im Monat, das ist noch der Hohn!“ rief einer aus den hinteren Reihen in den Saal. Mit ihm verließ ein Großteil der etwa 50 ZuhörerInnen nach der Urteilsverkündung aus Protest den Verhandlungsraum. „Ziele können niemals rechtfertigen, in das Hausrecht eines anderen einzudringen“, fuhr der Amtsrichter unbeeindruckt von der Publikumsreaktion fort und: „Jede Demonstration nimmt für sich in Anspruch, gute und edle Ziele zu verfolgen“, dies gelte selbst für die Schlägerbande SA. Dieser Vergleich gab dem verbliebenen Rest der ZuhörerInnen endgültig den Rest, auch die Angeklagten verließen unter lautstarkem Protest den Gerichtssaal.

Der Mann in der Robe aber blieb bei seiner Auffassung: Um Mißstände publik zu machen, gebe es andere, nämlich legale Möglichkeiten. Frau darf annehmen, daß der Richter damit zum Beispiel auf Veröffentlichungen in der Presse anspielte.

Wie groß das Interesse der lokalen Zeitung an der Aufklärungsarbeit der verurteilten Frauen ist, dürfte sich durch ihre Abwesenheit beim Prozeß von selbst beantwortet haben.Andrea Hösch