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Wilde Vorwürfe der philippinischen Militärs

■ Seit fünf Tagen werden ein Pfarrer aus der BRD, ein schwedischer Student und ein philippinischer Dolmetscher mit der Beschuldigung festgehalten, sie hätten sich an einem Überfall der kommunistis

Wilde Vorwürfe der philippinischen Militärs

Seit fünf Tagen werden ein Pfarrer aus der BRD, ein

schwedischer Student und ein philippinischer Dolmetscher mit der Beschuldigung festgehalten, sie hätten sich an einem

Überfall der kommunistischen „New People's Army“ beteiligt

Seit nunmehr fünf Tagen ist, legt man international anerkannte Rechtsnormen und Verfahrensweisen zugrunde, der deutsche Pfarrer Klaus Schmidt gemeinsam mit dem philippinischen Geschäftsmann Antonio Bosch und dem schwedischen Studenten Stellan Hermansson in einer Kaserne der philippinischen Streitkräfte illegal inhaftiert.

Der 52jährige Schmidt, der im Auftrag der evangelischen Entwicklungshilfeorganisation „Dienste in Übersee“ seit September 1987 an einem theologischen Seminar in Manila unterrichtet, hatte gemeinsam mit seinem philippinischen Freund, der übersetzen sollte, eine Reise auf die abgelegene Bondoc-Halbinsel unternommen, wo im Spätsommer ein langfristiges deutsches Entwicklungsprojekt starten wird. Der schwedische Student, den Klaus Schmidt am Tag vor der Abreise kennengelernt hatte, hatte sich kurzfristig angeschlossen.

Die drei befinden sich zur Zeit in Camp Nakar, dem Hauptquartier des „Southern Luzon Command“ (SOLCOM) in Lucena-City, der 130 Kilometer südöstlich Manilas gelegenen Hauptstadt der Provinz Quezon.

Vom örtlich zuständigen Kommando der „Quezon Constabulary“ (eine paramilitärische Polizeitruppe wie etwa die spanische „Guardia Civil“) wurde Presseberichten zufolge inzwischen Anzeige gegen die Inhaftierten erhoben. Danach sollen sie am 3.2.1988 an der Attacke einer Einheit der linken „New -Peoples-Army„-Guerilleros auf das Rathaus von San Francisco, ebenfalls auf Bondoc, teilgenommen haben. Bei dem Angriff waren zwei Polizisten getötet und zwei Soldaten gefangengenommen worden. Die Beschuldigungen lauten auf Mord und Entführung.

Klaus Schmidt und Antonio Bosch waren zu diesem Zeitpunkt nachweislich in Manila, Stellan Hermansson traf erst Mitte Mai zu seinem ersten Philippinenaufenthalt ein. Außerdem ist längst bekannt, daß der britische Journalist Nick Downie, der für den englischen Privatsender Channel 4 einen Film über die NPA gedreht hat, bei diesem Gefecht als einziger Ausländer die Guerilleros begleitet hat.

Am Mittwoch vergangener Woche waren die drei auf dem Rückweg nach Manila gegen elf Uhr an einem Militär -Checkpoint im Norden Bondocs aus einem Minibus herausbefohlen und zu einer Befragung „eingeladen“ worden. Das Gesuch erwies sich schnell als Festnahme ohne Haftbefehl. Stundenlange Verhöre folgten, nach einer schlaflosen Nacht voller Ungewißheit über mögliche Entwicklungen wurden sie am Tag darauf ins Camp Nakar verlegt.

Augenzeugen der Festnahme waren in der Lage, ihre Beobachtungen der Menschenrechtsorganisation „Task Force Detainees“ zu übermitteln. Adelheid Schmidt und Evelyn Bosch, besorgt über das Ausbleiben ihrer Ehemäner, erfuhren erst am Donnerstag nachmittag durch eine Anfrage bei TFD von dem Vorfall. Erst nach einer 24stündigen Suchaktion in der Quezon-Provinz konnten sie mit Unterstützung dieser Organisation den Aufenthaltsort ihrer Männer lokalisieren. Eine langwierige Prozedur schloß sich an, bevor ihnen der Zutritt in die Kaserne und, nach einstündiger Befragung, auch ein Wiedersehen mit den Inhaftierten gestattet wurde. Es war der erste Kontakt der drei zur Außenwelt nach mehr als 60 Stunden.

Am Samstag trafen Repräsentanten der deutschen und schwedischen Botschaft in Lucena ein. Sie forderten die unverzügliche Freilassung ihrer Staatsangehörigen. Der Fall, der in den philippinischen Medien für Schlagzeilen sorgt, könnte sich noch auf unabsehbare Zeit hinziehen. Zusätzlich zu den Mordvorwürfen wird vom Militär behauptet, daß ihre Gefangenen als Ausbilder für die NPA tätig gewesen seien. Nach Auskunft eines Armeesprechers wird auch eine Spionageanklage erwogen.

Hintergrund der Festnahmen könnte eine seit mehreren Wochen laufende Kampagne der Streitkräfte gegen in- und ausländische Journalisten sein. Medienleuten wird vorgeworfen, aus Sensationsgier militärische Operationen der NPA zu finanzieren, sie mit Sprengstoff und Waffen zu versorgen und auf diese Weise die Guerilleros direkt zu stärken.

Ein Dorn im Auge dürfte dem Militär auch sein, daß die NPA in der Regel zumindest eine faire Berichterstattung erhält. Auch wegen aktueller Ereignisse steht die Militärführung unter Druck: Seit Anfang Juni hält die NPA in Quezon vier Offiziere und einen Geheimdienstagenten gefangen. Am Freitag wurde auf einem Friedhof in Manila ein Massengrab geöffnet, in dem sich 22 Leichen von mutmaßlich verschleppten und ermordeten politischen Aktivisten befanden.

Der Fall Schmidt, Bosch und Hermansson, bei dem bisher fast ausschließlich Presseerklärungen der Streitkräfte veröffentlicht wurden, könnte ein willkommenes Ablenkungsmanöver darstellen. Allenfalls die bevorstehende Reise von Präsidentin Aquino zur ILO-Konferenz in Genf könnte nach Auffassung von Menschenrechts-Anwälten eine kleine Chance zur schnellen Entlassung darstellen.

Erklärung von K. Schmidt

Ich bin bestürzt über den Plan der Bundesregierung, auf der Bondoc-Halbinsel ein Multi-Millionen-Entwicklungsprojekt durchzuführen, obwohl dieses Gebiet allgemein und zu recht als „hot bed of insurgeny“ („heißes Aufstandsgebiet“) bezeichnet wird. Die Zahl der jetzt schon zu beklagenden Toten würde sich auf seiten der Bevölkerung, der Rebellen und des Militärs zwangsläufig steigern, falls dieses Projekt auch nur begonnen würde. Die militärischen Konflikte auf der Bondo-Halbinsel könnten auch die Sicherheit der deutschen Berater gefährden. Alle vom Militär gegen mich erhobenen Vorwürfe sind absurd, gegenstandslos und reine Erfindung.

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