"Hamburger Verhältnisse" im Kölner Häuserkampf?

■ Besetztes Haus in Köln geräumt / Räumung eines weiteren Hauses droht / 16.6. Demonstration / Radikaler Autonomieanspruch gegen reformerische Selbsthilfekonzepte / Veranstaltungsserie in der

„Hamburger Verhältnisse“ im Kölner Häuserkampf?

Besetztes Haus in Köln geräumt / Räumung eines weiteren

Hauses droht / 16.6. Demonstration / Radikaler

Autonomieanspruch gegen reformerische Selbsthilfekonzepte / Veranstaltungsserie in der besetzten Weißhausstrasse

Aus Köln Oliver Tolmein

Die Gummibärchen müssen selbst mitgebracht werden, ansonsten ist diesen Samstag abend in der Weißhausstrasse 20 aber alles viel schöner als im richtigen Kino: statt der abgedroschenen Langnese-Eis-Reklame dröhnen Ton-Steine -Scherben aus den Lautsprechern, die Leinwand ist tatsächlich aus Leinen und dabei so groß, wie in den alten UFA-Kinos: Wenn ein Lüftchen über den Innenhof weht wölbt sie sich wie ein Segel und zeigt uns Yves Montand in ganz neuen Dimensionen. Die erste Open-Air-Kino-Vorstellung im besetzten und räumungsbedrohten Haus ist ein voller Erfolg mehr als dreihundert Leute haben in den alten Polstergarnituren und auf dem staubigen Boden Platz genommen um zu bewundern, wie lateinamerikanische Guerilleros dem US -Imperialismus eine empfindliche Schlappe beibringen: Gezeigt wird „Der unsichtbare Aufstand“ von Costa-Gavras.

Aber, wie sollte es anders sein, das Idyll mit roter und schwarzer Fahne auf dem Dach und schön rätselhaften Parolen an der Wand („Freiheit ohne Wahrheit ist Exzeß“) ist trügerisch. Am 31.Mai stürmten, für die dortigen BewohnerInnen überraschend, einem Sondereinsatzkommando, das seit zweieinhalb Jahren besetzte Haus in der Kölner Hüttenstrasse 18. Um der Räumung einen sozialen Touch zu geben, wurden in das Haus Flüchtlinge einquartiert. Auch den Besitzern eines besetzten Hauses in der Viersener Strasse wurde der Deal „BesetzerInnen raus - Flüchtlinge für 200 Mark pro Bett rein“ vorgeschlagen, allerdings ergebnislos. Bei einer Hausneubesetzung in der darauffolgenden Woche machte die Polizei dann einfach kurzen Prozeß und ließ die sofort wieder geräumten Wohnungen zumauern. Die Stadt will offensichtlich aufräumen mit den „Altlasten“ aus bewegten Zeiten.

Die seit dem Herbst 1986 besetzte Weißhausstrasse 20 ist das nächste Objekt der ordnungsstaatlichen Begierde. „Die Entwicklung in dem besetzten Haus veranlaßt mich, Sie eindringlich aufzufordern, den dortigen rechtswidrigen Zuständen ein Ende zu bereiten“ schrieb bereits Mitte März der Vorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion dem Oberstadtdirektor. „Sie (die Besetzer) verbreiten Parolen, Flugblätter und Plakate mit Propaganda für den Terrorismus. Zeitungen haben sogar von einer Übungsstätte für Stahlbolzenschüsse mit dem Bild eines Polizisten als Zielscheibe berichtet.“ Die Stimmungsmache ist nicht ohne Wirkung: Polizei und Staatsanwaltschaft haben dafür gesorgt, daß „das Objekt bereits Gegenstand umfangreicher Ermittlungen ist“, wie der Oberstadtdirektor dem Fraktionsvorsitzenden mitteilt. Die örtliche Presse heizt die Stimmung nach Bedarf weiter auf. Nachdem der 'express‘ schon mit der Schlagzeile „RAF im Keller der Weißhausstrasse“ für Aufsehen gesorgt hatte, enthüllt die regionale Boulevardzeitung jetzt: am Rheinufer würden verstärkt vergammelte Autos mit Hamburger Kennzeichen beobachtet. Anlaß genug vor „Hamburger Verhältnissen“ in Köln zu warnen.

Die Hafenstrasse ist leider nicht überall - in Köln ist nicht nur der Hafen entschieden kleiner als in der Hansestadt, auch die Szene, die die BesetzerInnen unterstützt ist viel zu schwach, um in der Domstadt einen lange währenden Häuserkampf zu entfachen. So haben die aus Sperrmüll, Stacheldraht und Latten gefertigten Barrikaden, auch mehr symbolischen Wert: „Wir können die Räumung nur durch politischen Druck hinauszögern und verhindern“, wissen die zehn BesetzerInnen der Weißhausstrasse. Und für den politischen Druck brauchen sie Öffentlichkeit. Fast jeden Tag finden mittlerweile Veranstaltungen im großen Innenhof oder einem der Nebengebäudes statt, das im April eröffnete Frauencafe öffnet derzeit täglich, statt wie geplant nur einmal in der Woche. Die bemerkenswerte Resonanz hat gezeigt, wie groß der Bedarf nach staatlich nicht reglementierten Freiräumen ist. „Wenn hier in Köln politisch was los ist, dann steht das fast immer in engem Zusammenhang mit den besetzten Häusern“, meint denn auch ein Redakteur der örtlichen 'Stadt-Revue‘. „Wir fungieren hier bei Veranstaltungen nicht als alternative Kulturmanager, sondern engagieren uns für konkrete politische Ziele“, umreißt ein Besetzer das eigene Selbstverständnis. Während die Stadt Köln, versucht die Alternativkultur durch Subventionierung und Unterstützung von Veranstaltungsräumen und Kulturzentren einzubinden, und damit auch einen gewissen Zugriff auf das dortige Geschehen zu haben, meinen es die WeißhausstrassenbesetzerInnen mit ihrem Anspruch selbstbestimmt leben und autonom politisch agieren zu wollen ernst. Deswegen hat auch die Suche nach UnterstützerInnen ihre Grenzen: „Die Grünen in Köln sind objektiv unsere Gegner“, wird auf einer Diskussion über die anstehende Demonstration festgestellt. Die Grünen haben sich auf die Unterstützung von vertraglich abgesicherten Selbsthilfeprojekten, konzentriert und dafür auch etlichen Sanierungsvorhaben ihre Zustimmung gegeben. Damit haben sie bei der außerparlamentarischen Linken zwar verspielt, befinden sich aber parlamentarisch in bester Gesellschaft auch die Kölner CDU unterstützt seit 1986 Legalisierungsbestrebungen: „Durch Eigentumsbildung im weiteren Sinne und gemeinschaftliche Arbeit am Haus entstehen stabile Beziehungen innerhalb der Selbsthilfegruppen. Die Identifikation mit dem Stadtteil wird größer, leistungsfähige Bevölkerungsgruppen werden langfristig an die Stadt gebunden und bislang benachteiligte Wohnbereiche werden aufgewertet.“

Demonstration „Schützt die besetzten Häuser - Für ein selbstbestimmtes Leben“ am Donnerstag 16 Juni um 17 Uhr am Zülpicher Platz