: Am deutschen (Geld-) Wesen.....
■ Zum 40. Geburtstag der Deutschen Mark eine sonntägliche Feier in der Finanzmetropole Frankfurt
Am deutschen (Geld-) Wesen.....
Zum 40. Geburtstag der Deutschen Mark eine sonntägliche
Feier in der Finanzmetropole Frankfurt
Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt(taz) - Obgleich das Gesetz über die Währungsreform vom Volumen her nur „ein Hundertstel des Umfangs der Ananas -Verordnung der EG“ (Strauß/CSU) betrug, hat diese Entscheidung des Alliierten Kontrollrats vom 20.6.1948 im bizonalen Nachkriegsdeutschland den Beginn der „offenen Gesellschaft, in der Freiheit und soziale Integration eine unauflösliche Verbindung eingingen“ (Kohl/CDU) markiert. Denn die Geburtsstunde der Deutschen Mark war auch die Geburtsstunde der „sozialen Marktwirtschaft“ (Vogel/SPD), der „sozialverpflichteten Marktwirtschaft“ (Hohmann/Ludwig -Erhard-Stiftung) oder schlicht und ergreifend der „freiheitlich-sozialen Marktwirtschaft“ (Bangemann/FDP).
Alles, was in dieser Republik Rang und Namen hat, eilte am Sonntag in die bundesdeutsche Finanzmetropole Frankfurt, um im großen Saal der Alten Oper - in der selbst der Sand in den Aschenbechern halbstündig mit dem Emblem des Wallmannschen Kulturtempels gestempelt wird - den „Ausbruch“ des Wirtschaftswunders zu feiern: Vor 40 Jahren gab es die letzte Währungsreform. Und der SPD-Vorsitzende Vogel erinnerte an die revolutionären Wurzeln seiner Partei und wies darauf hin, daß dieser 20.Juni 1948 als ein Tag in die Geschichte des deutschen Volkes eingegangen sei, an dem alle Deutschen für genau 24 Stunden „fast alle gleich waren“.
Daß bei dem als Festredner geladenen SPD-Vorsitzenden dabei die Betonung auf dem Wörtchen „fast“ lag, trug dann die Verantwortung dafür, daß der Sozialdemokrat vom Auditorium mit nur mäßigem Beifall bedacht wurde. Der versammelte Geldadel der Republik, die Creme de la Creme aus den staatstragenden Parteien, hohe Offiziere der Bundeswehr und die Vertreter der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft wollten sich an diesem Feiertag ihre selbstgestrickten Legenden nicht zerstören lassen, als deren Held immer wieder Ludwig („Maß halten!“) Erhard auf den Schild gehoben wurde. Denn wie Fortsetzung auf Seite 2
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jeder Deutsche stand selbstverständlich auch der deutsche Unternehmer und der deutsche Großgrundbesitzer an diesem Tag mit seinen 40 Mark „Kopfgeld“ auf der Straße.
Mit einer anderen Legende durfte dann Franz-Josef Strauß unter dem donnernden Beifall des versammelten anachronistischen Zuges gnadenlos aufräumen. Daß das „Privatkapital“ den Aufstieg Hitlers in der Weimarer Republik erst möglich gemacht habe, sei ein uraltes Märchen von Sozialdemokraten und Kommunisten gewesen. Die hätten mit dieser These auf der entscheidenden Kontrollratssitzung im Juni '48 in Frankfurt den Erhard'schen Traum von der freien Marktwirtschaft noch verhindern wollen. Doch diese These sei schon damals falsch gewesen, denn der Kapitalismus habe weder in Frankreich noch in England oder den USA zur Diktatur geführt. Daß es nach diesem Nachhilfeunterricht in deutscher Geschichte in den ersten vier Reihen des Auditoriums mit den Wirtschaftsführern der Republik nicht zu stehenden Ovationen für den Bayern kam, lag wohl nur an der vornehmen Zurückhaltung, die sich die gestanden Männer, von denen gut zwei Drittel die „Gnade der späten Geburt“ (Kohl) nicht genossen hatten, im emotionalen Bereich auferlegen.
Der Kanzler beklagte bitterlich den „Verlust des ganzheitlichen Denkens“, das die Gründerväter der Republik noch ausgezeichnet habe. Heute gehe es manchen nur noch um die „Verteilung des Kuchens“. Doch am deutschen (Geld-)Wesen könne auch heute noch die Welt - zumindest Europa - genesen, meinte Kohl zum Schluß seiner nur müde beklatschten Rede. Die europäische Zentralbank, die müsse nach dem Modell der deutschen Bundesbank aufgebaut werden, damit die „Liberalisierung des Kapitalmarktes“ dann richtig funktioniere.
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